Welt der Wunder

Nicht glauben, sondern wissen

Projekt Orion: Warum wollte die NASA 2600 Atombomben im All zünden?

Wir glauben, unsere Geschichte lückenlos zu kennen. Tatsächlich aber ist das, was wir kennen, allenfalls ein Bruchteil der Wahrheit. Einige der größten offenen Fragen des 20. Jahrhunderts ranken sich rund um die NASA. Wie gefährlich sind alte Atombomben-Baupläne?
Eine unscheinbare Metallkugel sorgt Anfang Oktober 1957 dafür, dass die gesamte westliche Welt in Schockstarre verfällt. Mit Sputnik, dem ersten Satelliten im All, setzt die Sowjetunion ein Ausrufezeichen – und ihren Gegenspieler, die USA, gewaltig unter Zugzwang. Washington darf um keinen Preis den Anschluss verlieren und setzt daher fortan auf neue, teils abstruse Raumfahrtideen. Das wohl verwegenste Projekt trägt den Namen „Orion“: Dahinter verbirgt sich ein gigantisches, 4.000 Tonnen schweres Raumschiff, das Tausende Atombomben abwerfen und in geringem Abstand hinter sich zünden soll, um von der Explosionswelle ins All katapultiert zu werden. Der Schlüssel dazu sind Mini-Bomben mit einer Sprengkraft von annähernd einer Kilo­tonne – ein Zwanzigstel so stark wie jene von Nagasaki. 

Unberechenbare Probleme

Am 14. November 1959 beweist ein Test auf dem Versuchsgelände bei San Diego die prinzipielle Machbarkeit. Der Zeitlupenfilm des erfolgrei­chen Modellflugs begeistert sogar den deutschen Raketenbauer Wernher von Braun, der zu diesem Zeitpunkt bereits für die neu gegründete NASA arbeitet und fortan zum wichtigsten Förderer des Orion-Projekts wird. Doch je konkreter die Planungen werden, desto deutlicher treten auch die Probleme hervor. 2.600 Atombomben soll das Raumschiff laut Berech­nungen an Bord mit sich führen, um es in zwei bis drei Jahren über den Jupiter bis zum Saturn und zurück zur Erde zu schaffen. Dafür muss es bis zu vier Bomben pro Sekunde abfeuern – rund 350 allein bis zum Erreichen der Erdumlaufbahn. Die Orion-Mission würde dabei hohe Mengen an Radioaktivität in der Atmosphäre hinterlassen und auch ein Teil der erst im All freigesetzten Spaltprodukte könnte vom Magnetfeld der Erde eingefangen werden und in die Luft gelangen – mit beträchtli­chen Opferzahlen als Folge.

Die Nuklearenergie, die lange der große Trumpf der Forscher war, wird Orion so letztlich zum Verhängnis, denn spätestens mit der Kuba-Krise kippt die Atom-Euphorie in Angst. Höhepunkt dieser neuen Skepsis ist der 1963 in Kraft getretene Vertrag zum Verbot von Nuklearwaffentests in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser, der das Ende des Projektes besiegelt. Die Skizzen liegen dennoch bis heute im NASA-Archiv, wurden aber zur Verschlusssache erklärt. Das gilt besonders für die detaillierten Anleitungen zum Bau kleiner Atom­bomben – ein Wissen, das in Zeiten des Terrors tatsächlich besser nicht in falsche Hände gelangen sollte. 
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