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Schwangerschaftsabbruch: Das Problem mit dem Tabu Abtreibung

Foto: Envato / jichzeh

Schwangerschaftsabbruch: das Problem mit dem Tabu Abtreibung

Schwangerschaftsabbruch wird immer wieder öffentlich diskutiert. Aktuell will der US-Bundesstaat Arizona Abtreibungen wieder verbieten – auf Grundlage eines 160 Jahre alten Gesetzes. Das Thema Abtreibung ist mit starken Emotionen unterschiedlicher Lager belastet: Die einen verurteilen es als Mord, andere erkennen darin einen rettenden Ausweg für ungewollt Schwangere.
  • In den USA wurde das Grundsatzurteil zum Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch im Juni 2022 gekippt.
  • Weltweit unterscheiden sich die Möglichkeiten für ungewollt Schwangere stark.
  • Das Thema Abtreibung wird heftig diskutiert und spaltet die Gesellschaft.

Eine ungewollte Schwangerschaft ist für viele Betroffene belastend. Je nachdem, wo auf dieser Erde die schwangere Person lebt, hat sie mehrere oder keine Optionen. Das Guttmacher Institut forscht zu Themen rund um sexuelle und reproduktive Gesundheit. Im März 2022 veröffentlichte die Organisation gemeinsam mit der WHO (Weltgesundheitsorganisation) eine vergleichende Studie für 150 Länder.

Die Forschenden wandten eine statistische Methode an, mit der sie die länderspezifischen Schätzungen zur Häufigkeit ungewollter Schwangerschaften und Abbrüche international vergleichen können.

Umgang mit ungewollter Schwangerschaft weltweit

Die Untersuchung betrachtete den Zeitraum 2015 bis 2019. Währenddessen kam es jedes Jahr weltweit zu rund 121 Millionen ungewollten Schwangerschaften. 61 Prozent davon wurden abgebrochen – das entspricht 73 Millionen Schwangerschaftsabbrüchen im Jahr.

Die Forschenden fanden außerdem heraus, dass die Zahl ungewollter Schwangerschaften in Ländern mit eingeschränkten oder keinen legalen Möglichkeiten für einen gewählten Abbruch am höchsten sind. „Um eine wirklich integrative und gerechte Politik im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit aufzubauen, müssen wir verstehen, was auf Länderebene passiert“, teilt Dr. Herminia Palacio, Präsidentin und CEO des Guttmacher Institut, in einer Pressemitteilung zu der Studie mit.

„Für eine gute Gesundheit brauchen Menschen in Ländern auf der ganzen Welt Zugang zu einem umfassenden Paket an Sexualaufklärung, genauen Informationen und Diensten zur Familienplanung sowie zu einer qualitativ hochwertigen Abtreibungsversorgung“, wird Dr. Bela Ganatra, Leiterin der WHO-Einheit „Prävention unsicherer Abtreibungen“ in der Pressemeldung zitiert. „Diese Forschung zielt darauf ab, Länder dabei zu unterstützen, die lebensrettenden Dienste, die sie für die sexuelle und reproduktive Gesundheit bereitstellen, zu stärken und die Gesundheitsergebnisse zu verbessern – insbesondere für Frauen und Mädchen.“

Schwangerschaftsabbruch in Deutschland

In Deutschland können Betroffene unter Einhaltung gesetzlicher Vorgaben die Schwangerschaft bis zu einem bestimmten Entwicklungsstadium abbrechen. Wie das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) schreibt, ist der Vorgang jedoch nicht per se erlaubt: „Ein Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland gemäß § 218 Strafgesetzbuch (StGB) grundsätzlich für alle Beteiligten strafbar.

Es gelten aber Ausnahmen. Diese sehen vor, dass der Abbruch innerhalb von zwölf Wochen nach der Empfängnis stattfinden muss. Außerdem geht dem Eingriff verpflichtend ein Gespräch mit einer anerkannten Beratungsstelle voraus. An dem Gespräch darf der behandelnde Arzt oder die Ärztin nicht teilnehmen und es müssen mindestens drei Tage zwischen der Beratung und dem Eingriff liegen.

Regelungen, die einen Abbruch bis zu einem bestimmten Zeitpunkt ermöglichen, gelten auch in Österreich und der Schweiz sowie in den meisten Nachbarländern.

Unter Strafe verboten: illegale Schwangerschaftsabbrüche

Polen erklärte das Gesetz, das die Bedingungen für einen Schwangerschaftsabbruch regelt, 2020 als verfassungswidrig. Darin rechtfertigten medizinische Gründe einen Abbruch der Schwangerschaft.

Das Europäische Parlament sieht in der Entscheidung eine De-Facto-Illegalisierung von Abtreibungen in Polen: „Die Abgeordneten verurteilen ein weiteres Mal das Urteil des rechtswidrigen Verfassungsgerichtshofs vom 22. Oktober 2020, mit dem ein nahezu vollständiges Abtreibungsverbot verhängt wurde, das die Gesundheit und das Leben von Frauen gefährdet. Sie fordern die polnische Regierung auf, den Zugang zu sicheren, legalen und kostenlosen Abtreibungsdiensten für alle Frauen schnell und umfassend zu gewährleisten.“

Im Juni 2022 erklärte der Supreme Court das Recht auf Abtreibung in den Vereinigten Staaten für ungültig. Bis dahin basierte die Rechtsprechung im Umgang mit Schwangerschaftsabbrüchen auf einem Grundsatzurteil von 1973: Im Fall Roe gegen Waden wurde entschieden, dass eine Frau das Recht auf einen Abbruch hat. Das Urteil bezog sich auf den 14. Verfassungszusatz der USA. Das neue Gesetz ermöglicht Bundesstaaten, einen Schwangerschaftsabbruch generell zu verbieten.

Bereits im Mai 2022 sorgte der angestrebte Kurswechsel im Umgang mit ungewollten Schwangerschaften für Aufregung. Nachdem das US-Newsmagazin „Politico“ den zugespielten Gesetzesentwurf des Supreme Court veröffentlichte, begannen Proteste unterschiedlicher Lager: Das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper auf der einen Seite, der Schutz des potenziellen Lebens auf der anderen. Die nun getroffene Entscheidung fiel zu Gunsten der letztgenannten.

Die Erfahrungen von Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen sowie die Studie des Guttmacher Institut zeigen jedoch: Ein Verbot des Eingriffs verhindert Abtreibungen nur bedingt. Abbrüche werden dann heimlich und häufig auch unsicher durchgeführt.

Manche Betroffene versuchen, einen Abbruch selbst vorzunehmen. Sie schlucken Medikamente oder führen sich spitze Gegenstände ein. Dabei besteht eine große Gefahr, dass sich die Personen irreversibel selbst verletzen. Sie können unter anderem zum Tod der Schwangeren führen oder zu schweren Behinderungen auch beim ungeborenen Kind führen.

Kleiderbügel aus Draht wurden unter anderem dafür verwendet. Die Komplikationen, die dadurch entstanden, führten immer wieder zum Tod. Daher nutzen Demonstrierende den Haushaltsgegenstand häufig als Symbol. Er soll zeigen, auf welche Mittel Schwangere zurückgreifen, wenn ein sicherer, medizinischer Eingriff nicht möglich ist.

Wie wird eine Schwangerschaft abgebrochen?

Abtreibung ist der gängige Begriff für ein gewähltes vorzeitiges Ende einer Schwangerschaft. Dadurch wird die Entwicklung des Fötus unterbunden und eine ungewollte Elternschaft verhindert. Ein Abbruch ist immer ein medizinischer Eingriff und birgt damit auch potenzielle Gefahren für die Gesundheit. Eine Einschätzung der Risiken sowie ein sicherer Abbruch können nur dafür ausgebildete Ärztinnen und Ärzte durchführen. Die Initiative „Abortion without Borders“ vermittelt seriöse Hilfe insbesondere in den Ländern, deren Gesetze einen Schwangerschaftsabbruch verbieten.

Medikamentöser Abbruch der Schwangerschaft

Es gibt zwei sichere Methoden, eine Schwangerschaft vorzeitig zu beenden: Bei einer medikamentösen Abtreibung werden meist zwei Pillen verabreicht. Die erste enthält den Wirkstoff Mifepriston. Vereinfacht gesagt, blockiert der Wirkstoff das Hormon Progesteron. Dieses Hormon ist für den Erhalt einer Schwangerschaft unter anderem notwendig. Wird es blockiert, signalisiert das dem Körper, die Schwangerschaft abzubrechen.

Einen Tag später wird ein weiteres Medikament eingesetzt: Durch den Wirkstoff Prostaglandin zieht sich die Gebärmutter zusammen. Innerhalb von 3 bis 24 Stunden nach der zweiten Einnahme beginnt die Blutung. Nach Ermessen des betreuenden Arztes oder der Ärztin ist eine dritte Pille mit Prostaglandin bei ausbleibenden Blutungen möglich. Nach etwa zwei Wochen findet ein Termin zur Nachkontrolle statt.

Schwangerschaft durch chirurgischen Eingriff beenden

Ein medikamentöser Abbruch kann aus verschiedenen Gründen nicht die passende Methode sein. Dann wird die Schwangerschaft chirurgisch beendet. Als eine der schonendsten Methoden gilt Vakuumaspiration. Dabei werden Schleimhaut und Fruchtsack aus der Gebärmutter gesaugt. Unter Vollnarkose oder während einer örtlichen Betäubung erweitern Arzt oder Ärztin den Gebärmutterhalskanal. Mit einem dünnen Metallstäbchen entfernen sie das Gewebe. Der Eingriff dauert nach Angaben des Beratungsnetzwerks Pro Familia etwa 10 bis 15 Minuten.

Tabuthema Abtreibung: Gegenargumente

Den ungleichen Umgang mit Schwangerschaftsabbrüchen beurteilen Menschen weltweit unterschiedlich. Die einen sehen das Recht auf Selbstbestimmung in Gefahr, wenn Betroffenen der Zugang zu sicheren Abbruchsmethoden verwehrt bleibt. Das Argument der gegnerischen Seite: Dem heranwachsenden Baby würde das Recht auf Leben abgesprochen. Außerdem seien die Folgen für die körperliche und seelische Gesundheit nach einer Abtreibung teils sehr belastend. Über diese möglichen Folgen klären unterschiedliche Beratungsstellen in Gesprächen auf. Zudem bieten sie Unterstützung, wenn der Eingriff rückwirkend belastet.

Die katholische Zeitung „Die Tagespost“ verweist in einem Artikel zum Thema Schwangerschaftsabbruch auf die Religionsphilosophin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz. Demnach sei Abtreibung ein plausibles Mittel, den Körper zu unterwerfen und dadurch Autonomie zu erhalten. Allerdings sei diese Autonomie ein Trugschluss aus verschiedenen feministischen Bewegungen. Anstelle von Selbstbestimmung ermögliche diese Kontrolle eine ständige Verfügbarkeit des weiblichen Körpers.

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