Welt der Wunder

Nicht glauben, sondern wissen

Sieger und Sorgenkinder: Deutschlands wilde Tiere

Knapp 50 Wolfsrudel, 1.200 Wanderfalkenpaare, 26.000 Biber: Die Zahlen scheinen für eine erfolgreiche Neuansiedlung der Tiere in Deutschland zu sprechen. Doch Artenschutzexperten bleiben skeptisch: Zu unsicher ist, ob die 82 Millionen Menschen den Rückkehrern genug Raum lassen.

Fischotter in der Hamburger Elbe, Seeadler über bayrischen Gewässern, Wölfe im niedersächsischen Forst – viele lange verschwundene Tiere haben sich alte Reviere in Deutschland zurückerobert. Es hat sich was getan – Anlass zu allzu großer Euphorie gibt es allerdings nicht, denn: Es ist bei vielen Arten fraglich, ob der Mensch ihnen den nötigen Raum lässt. Immerhin müssen sich die zurückkehrenden Wilden ihren Lebensraum mit gut 82 Millionen Menschen teilen. Nichtsdestotrotz gilt die Rückehr als Erfolg – schließlich lag der Bestand der Tiere noch vor wenigen Jahrzehnten bei nahezu Null.

Deutschlands Osten ist Wildtier-Paradies

Der Wolf kehrte in den Wintermonaten über die gefrorene Oder zurück, als die russischen Truppen aus der ehemaligen DDR abzogen und riesige Übungsplätze zurückließen. Derzeit sind bundesweit nach Daten des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) und der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Wolf (DBBW) etwa 46 Wolfsrudel, 15 Paare und vier Einzeltiere unterwegs.  Das entspricht 120 bis 130 erwachsenen Wölfen. 
In Bayern gibt es erstmals seit mehr als einem Jahrhundert auch wieder Seeadler und in Hamburg sind wieder Fischotter zu sehen, die wohl vom östlich gelegenen Biosphärenreservat Schaalsee die Elbe hinaufgelangt sind. Wolf, Otter, Biber, Seeadler – für sie ist der Osten Deutschlands das wichtigste Refugium. Der Ost-West-Unterschied ist weiter sehr deutlich: In anderen Regionen ist es eine immense Herausforderung, ungenutzte Flächen zu erhalten oder zu vergrößern. Dabei ist für den Artenschutz eine Vernetzung der Biotope wichtig. 

Häufig mangelt es aber an der Umsetzung von Gesetzen – etwa bei der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie. Sie ist unter anderem für den Fischotter wichtig. Fischotter schwimmen auf Wanderungen nicht unter Brücken hindurch, denn möglicherweise meiden die Tiere dunkle, schattige Wasserbereiche, weil dort einst große Welse oder Störe lauerten. Im schlechtesten Fall verlassen sie das Wasser, laufen über die Brücke und werden auf der Straße überfahren. Laufwege unter Brücken würden Abhilfe schaffen, doch gebaut werden immer noch zu wenige. Die Zahlen sprechen für sich: Etwa 200 Otter werden jährlich überfahren. 

Die Großtrappe bleibt das größte Sorgenkind

Eines der größten Sorgenkinder deutscher Artenschützer ist die Großtrappe, ei
ner der schwersten flugfähigen Vögel der Welt. Nur noch etwas über 230 Exemplare gibt es in Deutschland. Zwar sind erwachsene Tiere kaum in Gefahr – ein Hahn kann mit 18 Kilogramm fast so viel wiegen wie ein Reh – die Eier der Trappen werden jedoch eingesammelt und in menschlicher Obhut bebrütet. Denn für den Nachwuchs ist vor allem die angewachsene Fuchspopulation eine große Gefahr. Größere Räuber wie Wolf und Luchs könnten dem Fuchs Einhalt gebieten. Denn Luchse töten alle anderen Räuber im Revier, Wölfe attackieren vor allem die Jungfüchse. Die Räuber dezimieren zudem Rehe, Hirsche und Wildschweine, von denen es zu viele in deutschen Wäldern gibt. 
Positiv auf andere Arten wirkt sich auch die Wiederansiedlung des Wisents aus. Mit ihm entstehen wieder lichte Wälder, in denen Bodenbrüter eine neue Chance bekommen. Solche Beispiele zeigen das Grundproblem: Viele Menschen sehen nur die einzelne Art, nicht das gewaltige Netzwerk dahinter. Wenn eine Art fehlt, entsteht ein Loch, durch das alles Mögliche durchfalle. Jeder einzelne kann mit seinem Verhalten beim Artenschutz mithelfen. So brauchen etwa die Futtermittel für die industrielle Massentierhaltung enorme Flächen. Diese wiederum kann jeder über seinen Fleischkonsum mitbeeinflussen. Denn letztendlich geht es auch immer um die eigene Existenz.
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