Fluchen in anderen Ländern
So genannte Malediktologen, also Fluchforscher, haben herausgefunden, dass Menschen auf der ganzen Welt bereits seit Jahrtausenden Flüche benutzen. Studien haben sogar gezeigt, dass wir uns Flüche besser merken können als normale Wörter. Alzheimer-Patienten können sich zum Teil eher an Flüche erinnern als an die Namen naher Angehöriger. Interessant ist, dass jede Gesellschaft und jede Kultur andere Normen und Werte hat. Die Flüche zielen in der Regel auf Tabu-Themen ab, die je nach Gesellschaft zum Beispiel sexueller, religiöser oder moralischer Natur sein können. So gilt es in der Türkei als große Beleidigung, die Familie zu beschimpfen, während das in Deutschland wiederum kaum jemanden auf die Palme bringt. So flucht man in anderen Ländern!
Deutschland
In Deutschland ist die Fluchkultur nicht besonders ausgeprägt. Es gibt kaum Schimpfwörter, die über das allgegenwärtige „Scheiße“ hinausgehen. Da die Familie keinen so hohen Stellenwert besitzt wie etwa in Südeuropa und auch Religion immer weniger wichtig wird, beschränken sich Flüche meist auf den sexuellen oder fäkalen Bereich. Immerhin: die Fluchkultur ist im Wandel. Die Welle der Synonyme für „Weichei“ (wie Warmduscher, Schattenparker) hat die deutsche Fluchkultur schon sehr bereichert. Unter Jugendlichen setzen sich Beleidigungen der Mutter vermehrt als Gag durch (etwa: „Deine Mudda klaut bei KIK!“).
Finnland
Äußerst originelle Flüche gibt es in der finnischen Sprache. Auch hier spielt das weibliche Geschlechtsorgan eine zentrale Rolle, etwa als Ausdruck des Erstaunens: „Saatanan perkeleen vittu!“ (Satans teuflische Möse). Statt „Fick dich!“ ruft man wörtlich „Veda vittu päähäs!“ (Zieh dir eine Möse über den Kopf).
Frankreich
Weniger erfinderisch in Bezug auf das Fluchen ist man in Frankreich. Am gängigsten sind Wörter wie Con, Connard, Enfoiré (bedeutet alles „Arschloch“ und kann beliebig mit Adjektiven wie „gros“ oder „sale“ gesteigert werden), oder man ruft einfach „Putain!“ (Hure) und „Merde!“ (Scheiße). Um jemanden so richtig zu beleidigen, greift man dann die Mutter des Streitpartners an: Das beginnt meist mit den Worten „ta mère“ und wird beliebig weitergesponnen. Irgendwann artete dieser Brauch jedoch so sehr aus, dass aus den Flüchen mehr Gags wurden.
Großbritannien
In Großbritannien stammen die meisten Flüche aus dem sexuellen Bereich – beispielsweise „Fuck!“. „Cunt“ (Möse) gilt als eines der schlimmsten Schimpfwörter. Angereichert wird dieses Repertoire durch Ausdrücke aus dem religiösen Bereich, etwa „Holy Shit“ (Heilige Scheiße) oder „Bloody Hell“ (Blutige Hölle). In Irland hört man schon mal ein „Möge deine Scheiße auf dir explodieren!“
Italien
Sehr kreativ schimpfen auch die Italiener, etwa mit „Du hast wohl Petersilie in den Ohren!“ Neben bekannten Begriffen wie „Cazzo!“ (Penis) oder „Stronzo!“ (etwa: Scheißwurst) sind vor allem Wörter aus dem sexuellen Bereich verbreitet. Als besonders schlimm werden blasphemische Flüche empfunden, etwa „Madonna puttana!“ (Hurenmadonna) oder „Porco Dio!“ (Schweinegott). Gängig ist auch, die verstorbenen Verwandten zu beleidigen. Allerdings kann das auch nett gemeint sein: In Rom etwa begrüßen sich schon mal junge Leute mit „Bei deinen hässlichen Toten, schön dich zu sehen!“
Juden
Eine der kreativsten Fluchkulturen besitzen die Juden. Ein jüdischer Fluch besteht nämlich meist aus zwei Teilen: Im ersten Teil sagt man etwas Freundliches, was im zweiten dann wiederum ins Gegenteil verkehrt wird – um noch härter zu treffen. Zum Beispiel: „Du sollst drei Schiffsladungen voll Gold erben – und selbst das soll nicht reichen, um deine Arztrechnungen zu bezahlen.“ Oder: „Alle Zähne sollen dir ausfallen, bis auf einen, damit du Zahnweh haben kannst.“ Forscher glauben, dass durch Einflüsse aus vielen verschiedenen Sprachen und die jahrelange Verfolgung eine so reiche und schillernde Fluchkultur entstanden ist.
Persischer und Arabischer Raum
Im arabischen und persischen Sprachraum gilt es – wie auch in der Türkei – als besonders schlimm, die Familie zu beleidigen. Die Ausdrücke sind jedoch wesentlich kreativer: „Ich furze in deines Vaters Bart“ sagt man beispielsweise im Iran, „Friss doch deinen Vater“ oder „Deine Muttermilch war Kamelpisse“ im arabischen Raum.
Russland
Eine besonders derbe und vulgäre Fluchkultur gibt es in Russland. „Mat“ heißt das russische Repertoire an Schimpfvokabeln, was übersetzt so viel bedeutet wie „lautes Geschrei“. Fast alle russischen Flüche basieren auf drei Mat-Vokabeln: „Pisda“ (was etwa dem deutschen „Fotze“ entspricht), „jebat“ (für ficken) und „Chui“ (Schwanz). Ausländern wird dringend davon abgeraten, diese Mat-Begriffe zu verwenden – sicherlich aus gutem Grund. Die Wörter gelten in Russland als wirklich schlimm – angeblich verkümmern sogar Pflanzen in der Gegenwart von „Mat“. „Chui“ gilt als das schlimmste russische Wort und muss daher besonders zum Fluchen herhalten. So sagt man „Ich verstehe nur Schwanz“ statt „Ich verstehe nur Bahnhof“ oder „Geh doch zum Schwanz“ statt „Geh zum Teufel“. Auch für Verwünschungen wird das männliche Glied verwendet: „Möge dein Grab von Schwänzen überwuchert werden!“ lautet etwa ein Ausdruck. Die meisten dieser Mat-Vokabeln haben einen mongolischen Ursprung.
Schweiz
Erstaunlich zahm in puncto Fluchen ist das Schweizerdeutsche. Dort ruft man „Donnerli!“ oder „Wetterli“, wenn man sich aufregt, einen Idioten bezeichnet man als „Glünggi“ oder „Sürmel“. Jedoch sind diese Begriffe immer weniger in Gebrauch, allenfalls in ländlichen Gegenden. Mittlerweile verdrängt das allgegenwärtige deutsche „Scheiße!“ sogar das schweizerische „Schiißdräck“. Das Wort „Huerä“ (Hure), manchmal auch „Chaibä“ (Pferdekadaver) wird jedoch häufig zur Betonung benutzt, etwa als „huerävoll“ (sehr voll) oder „chaibäkalt“ (extrem kalt).
Spanien
Im katholischen Spanien drehen sich viele Flüche um religiöse Begriffe: „Hostia!“ (Hostie) ruft ein wütender Spanier, oder aber „Me cago en la hostia!“ (Ich scheiß' auf die Hostie). Fäkale Ausdrücke sind ebenfalls beliebt: „Ich scheiß auf deine Hurenmutter!“, „Ich scheiß in die Muttermilch!“ oder sogar „Ich scheiß auf die Toten!“. Erstaunlich: „Coño“ (Möse) wird in Spanien als längst nicht so schlimm wie etwa in Großbritannien empfunden. Im Gegenteil, der Begriff wird nicht als Beleidigung verwendet, sondern als Ausdruck des Erstaunens. So sagt man „Bei der Möse deiner Schwester!“ (im Sinne von „Mach keine Witze!“) oder „Das liegt ja in der fünften Möse“ (etwa: am Arsch der Welt).
Türkei
Im Gegensatz zu Deutschland gilt es in der Türkei als gar nicht nett, einen Mann als „Bären“ zu bezeichnen. Tiere werden nämlich für Beleidigungen aller Art herangezogen, „Sohn eines Esels“ etwa ist das am meisten verbreitete türkische Schimpfwort. Türken fühlen sich vor allem dann in ihrer Ehre verletzt, wenn jemand ihre Familie, etwa die Mutter oder die Schwester, beleidigt. Für einen Mann ist es das Schlimmste, nicht als richtiger Mann zu gelten - zum Beispiel als „Schwuler“ bezeichnet zu werden. Auch „Sohn einer Gurke“ ist verbreitet. In der Türkei schimpfen vor allem die Männer. Frauen halten sich mit Flüchen zurück, sie sprechen eher Verwünschungen aus.
Ungarn
Ungarn ist für seine Fluchkultur in ganz Europa berühmt. Die ungarische Sprache hat ein unermessliches Repertoire an Schimpfwörtern, die nicht nur extrem derb, sondern gleichzeitig obszön und gotteslästerlich sind – etwa: „Lieber Gott, schieb deinen herrlichen Arsch aus den Wolken und scheiß auf dieses Arschloch!“ Diese derben Flüche werden in Ungarn durch alle Gesellschaftsschichten hindurch verwendet, unabhängig auch von Alter oder Geschlecht. Fluchen ist ein essenzieller Bestandteil der ungarischen Sprachkultur.
USA
Nicht nur verpönt, sondern teilweise sogar verboten ist das Fluchen in den USA. Die berühmt-berüchtigten Four-Letter-Words wie „Shit“ (Scheiße), „Piss“ (pissen), „Cunt“ (Fotze), „Tits“ (Titten) oder „Cock“ (Schwanz) werden in Fernsehsendungen mit einem Piepton überdeckt. In Schulen sind diese Ausdrücke ebenfalls verboten; Schüler, die beim Fluchen erwischt werden, handeln sich Verweise ein. Filme, die anstößige Ausdrücke enthalten, bekommen in der Regel keine Jugendfreigabe.