Das seinerzeit größte Schiff der Welt galt als unsinkbar und war 1912 von der Reederei White Star Line Dienst gestellt worden, um transatlantische Schiffspassagen in jedweder Hinsicht auf ein neues Niveau zu hieven. Der tragische Untergang der Titanic am 14. April 1912 markiert eine noch bis heute beispiellose Katastrophe auf offener See.
Maßlose Selbstüberschätzung ihrer Erbauer und Konstrukteure im Dienst der Belfaster Großwerft Harland & Wolff, die Unberechenbarkeit des Ozeans, eine unzureichende Ausstattung mit Rettungsbooten und nicht zuletzt ein weltweites Sicherheitsnetzwerk, das noch in den Kinderschuhen steckte, führten zur brutalen Havarie mit 1514 Toten und nur knapp 700 geretteten Schiffbrüchigen – und zur weltweiten Reform von Sicherheitsstandards in der Seefahrt.
Titanic Museum Belfast: eine weltbewegende Tragödie als ganzheitliches Erlebnis
Das Titanic Museum Belfast wurde um beeindruckende, multimediale Ausstellungräume erweitert, die im März 2023 nach langer Bauzeit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Dazu werden in der neuen Ausstellung Artefakte gezeigt, die bisher noch niemand zu Gesicht bekommen hat.
Neben den klassischen Ausstellungsbereichen, die sich mit dem Bau der Titanic und ihrer Schwesterschiffe sowie ihrer technischen Ausstattung widmen, werden in den neuen Ausstellung-Ebenen neue Blickwinkel geschaffen, die den Mythos Titanic auf eine emotionale und intensive Art und Weise in Szene setzen. Die vier neuen Räume heißen „Nie wieder“, „Ballards Suche“, „das Schiff der Träume“ und „Das bleibende Vermächtnis“.
Nie wieder: Wie die Titanic die Schifffahrt veränderte
Das neue museale Erlebnis beginnt, wenn die Besucher den Ausstellungsbereich „The Sinking“ verlassen, und plötzlich vor einer haushohen Wand stehen, auf der alle Passagiere des Luxusschiffs verzeichnet sind, gerettete wie verstorbene, mit Details zu jeder und jedem einzelnen. Vor diesen Namen ist eine von nur zwölf verbliebenen Titanic-Rettungswesten der Welt positioniert, die erste der neuen Artefaktsammlung, die noch nie zuvor ausgestellt worden ist.
Ballards Suche: Es ist ein Kessel! Das Wrack ist gefunden
„Es ist ein Kessel!“ So lautete der wohl befreiende Ausruf der Crew um Robert Ballard nach langen, entbehrungsreichen Wochen des Suchens, als sie das Wrack schließlich auf dem Meeresgrund entdeckten. Es war der 1. September 1985 und gleichzeitig mit der überwältigenden Freude beschlich die Crew die traurige Gewissheit, nicht nur das bekannteste Wrack der Welt gefunden zu haben, sondern auch einen legendären Friedhof mit über 1500 Ertrunkenen, die hier ihre unfreiwillige letzte Ruhestätte in der eisigen See des Nordatlantiks gefunden haben.
Zwar wurden seinerzeit diverse Überlegungen angestellt, wie der Luxusliner aus seiner Grabstätte in über 3800 Meter Meerestiefe zu heben sei, aber keine der abenteuerlichen technischen Manöver erwies sich als praktikabel. So wird die Titanic an ihrem Schicksalsort verbleiben, während im Museum faszinierende Bilder der Hightech-Unterwasserkameras zu sehen sind, die Robert Ballard und sein Team am Fundort gemacht haben. Als Zuschauer erlebt man das Spannungsfeld zwischen dem sensationellen Fund und der sich immer wieder aufdrängenden Frage, warum ein so prachtvolles Schiff auf seiner Jungfernfahrt ein solches Schicksal ereilen musste.
Das Schiff der Träume: die Titanic als Symbol für ein Leben in Freiheit
Die „Ship-of-Dreams-Galerie“ nimmt die Besucher mit in die Gedanken- und Gefühlsweltwelt der Titanic-Passagiere. Viele, vor allem in der sogenannten 3. Klasse, befanden sich im Aufbruch in ein neues Leben, ein Leben in Freiheit und Wohlstand, wie es sich auch nach der großen Auswandererwelle des 19. Jahrhunderts so viele noch immer wünschten.
In der Mitte der Projektionen schwebt ein immer neu illuminiertes Schiffsmodell der Titanic als Sinnbild der an den Wänden projizierten Träume und Hoffnungen.
Sensationelle Exponate: Artefakte, die die Welt noch nie gesehen hat
Originale Rettungsweste
Neu in der Ausstellung ist originale Fosbery-Rettungsweste, die von einem unbekannten Titanic-Opfer geborgen wurde. Von insgesamt über 3500, die an Bord des Schiffes waren, gibt es weltweit nur noch zwölf Rettungswesten.
Der Schlüssel für die Fernglasbox
Diese Schlüssel gehörten dem Zweiten Offizier David Blair, der erst kurz vor der Jungfernfahrt der Titanic auf ein anderes Schiff versetzt worden war. Durch seine übereilte Abreise behielt er versehentlich die Schlüssel in der Tasche, von denen einer zur Fernglasbox gehörte. Lookout Fred Fleet, der überlebte, sagte der offiziellen Untersuchung, dass sie den Eisberg früher gesehen hätten, wenn sie ein Fernglas gehabt hätten. Auf die Frage, wie viel früher, antwortete Fleet: „Genug, um auszuweichen.“
Originalfotos vom Start der Titanic
Zu sehen ist eine kleine, bisher unbekannte Serie von fünf Fotografien, die den Start der Titanic in Belfast am 31. Mai 1911 zeigen. Diese Bilder wurden von einem örtlichen Geschäftsmann aufgenommen und zeigen den Rumpf, der sich die Hellingen hinunter bewegt, die große Brücke und die Startplattform.
Taschenuhr von Joakim Johnson
Johnsons persönliche Taschenuhr überlebte den Untergang und wurde aus der Kleidung geborgen, die er am Körper hatte, als er in den eisigen Fluten ertrank. Die Zeiger der korrodierten Omega sind um 1:37 Uhr eingefroren, genau in dem Moment, als er in das eisige Wasser des Nordatlantiks getaucht wurde.
Manifest-Ticket und Bild von Malcolm Joakim Johnson
Ein seltenes Manifest-Ticket von Malcolm Johnson, abgestempelt am 10. April 1912. Das Ticket wurde ursprünglich für die Adria ausgestellt, das Schiff, auf dem Johnson vor seinem Transfer zur Titanic gesegelt sein sollte, und wäre den Einwanderungsbehörden bei der Ankunft auf Ellis Island vorgelegt worden. Dieses wichtige Dokument war eines der ersten Dinge, die Malcolm Johnson zusammen mit seinem Gepäckschein aus seiner Kabine holte.
Titanischer Liegestuhl
Dieser Original-Liegestuhl gehört zur noblen Ausstattung auf den Relax-Decks der Titanic. Er ist einer von nur noch sechs verbliebenen Holzstühlen, der von der Mackay-Bennett, dem ersten von vier Schiffen, die von der White Star Line gechartert wurden, um nach dem Untergang nach Leichen zu suchen, von der Oberfläche geborgen wurde.
Violine von Wallace Hartley
Und die Band spielte weiter: In einer Vitrine präsentiert das Museum die weltberühmte Geige von Wallace Hartley, dem sogenannten „Heldenmusiker“ der Titanic. In der Beschreibung des Exponats lautet es: „Als eines der seltensten und kultigsten Objekte des 20. Jahrhunderts zeugt diese Geige vom Mut und Geist der Kapellmeister, die bis zuletzt Hoffnung und Trost spendeten. Ihre Taten inspirierten einen populären Ausdruck in der Alltagssprache: „Und die Band spielte weiter“, um Tapferkeit im Angesicht von Widrigkeiten zu beschreiben.“
Schaffellmantel von Mabel Bennett
Der ausgestellte Mantel aus Schaffell gehört der Titanic-Stewardess Mabel Bennett. Sie trug ihn über einem Nachthemd während ihrer Rettung. Bennett wartete in dem schweren Mantel eine ganze Nacht lang im Rettungsboot, bis endlich die rettende „Carpathia“ am Horizont auftauchte und als erstes herbeigeeiltes Schiff die Menschen in den Rettungsbooten aufnahm.
Flachmann aus Silber von Helen Churchill Candee
Der ausgestellte Flachmann aus Silber gehörte der 53-jährigen Autorin Helen Churchill Candee. Als das Schiff sank, wurde ihr von ihrem First-Class-Begleiter Edward Kent in das Rettungsboot Nr. 6 geholfen. Sie hatte keine Taschen in ihrem Mantel, also vertraute sie Kent ihren Flachmann an – ein wertvolles Familienerbstück. Dieser überlebte die Katastrophe allerdings nicht. Der Flachmann wurde an seiner Leiche sichergestellt und konnte nach Abschluss aller Ermittlungen und Dank der Gravour seiner rechtmäßigen Besitzerin zugestellt werden.
Das bleibende Erbe: die Titanic und ihr Einfluss auf die nordirische Gesellschaft
Das Ende der beeindruckenden Ausstellung entführt die Museumsgäste in die heutige Welt und die multimediale Beschäftigung der Nachwelt mit dem Mythos. Sie können ihr Wissen über die Titanic durch ein interaktives Quiz testen. Und sicher wird es sich kein Besucher nehmen lassen, die Titanic-Szene schlechthin mit „Rose und Jack“ nachzustellen, um ein Selfie mit nach Hause zu nehmen und aus voller Brust aus dem Hollywood-Klassiker Titanic zu rezitieren: „Ich fliege!“