Bis zu tausend Tornados sorgen in den USA jährlich für Chaos und Zerstörung. Dass die Killerstürme auch in Deutschland auftreten können, wissen nur wenige. Dabei steigt mit dem Klimawandel auch hierzulande die Sturmgefahr.
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Beim Stichwort Tornado denken viele Menschen an die USA, auf dem Bild ist die Verwüstung nach einem Tornado im amerikanischen Perryville zusehen. Doch auch in Deutschland gibt es die Superstürme.
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Einige Meteorologen warnen, dass wir in Zukunft auch in der Bundesrepublik mit stärkeren Tornados rechnen müssen. Grund ist der Klimawandel: Dieser führt zu extremeren Wetterlagen und verstärkt unter Umständen auch die Bildung von so genannten Superzellen (Bild) in unseren Breitengraden. Das sind Gewitterwolken, aus denen die gefürchteten Killerstürme entstehen können.
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Mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 500 Stundenkilometer reißen Tornados alles, was ihnen in die Quere kommt, mit. Die trichterförmigen Wirbelstürme können einen Durchmesser von mehreren Hundert Metern entwickeln.
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Nicht selten treten mehrere dieser lokalen Wirbelstürme gleichzeitig auf und tanzen umeinander, während sie mit bis zu hundert Stundenkilometern durch die Landschaft rasen. Dieses Phänomen wird als Multivortex-Tornado bezeichnet.
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Vor allem in den USA fordern die Wirbelstürme jedes Jahr zwischen einigen Dutzend und mehreren hundert Toten. Besonders schlimm war das Jahr 1974, als am 3. und 4. April insgesamt 148 Tornados den Mittleren Westen der Vereinigten Staaten heimsuchten (Bild: Murphysboro, Illinois) – darunter sechs der höchsten Kategorie F5. Dieser so genannte Super Outbreak kostete damals 315 Menschen innerhalb von nur zwei Tagen das Leben.
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Dieses Bild zeigt sehr anschaulich, welche enormen Kräfte ein Tornado freisetzt: Sie hatten das Haus im Hintergrund zerstört und das Auto zertrümmert.
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Hier sieht man eine Superzelle in Kansas. Die Bewohner des Mittleren Westens der USA sind diesen Anblick gewöhnt – die Region wird weltweit am häufigsten von Tornados heimgesucht.
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Tornados können auch über Wasser entstehen – und das geschieht sogar recht häufig. Schätzungen für Europa gehen davon aus, dass die Anzahl der jährlichen Wasserhosen annähernd so hoch ist wie die Zahl der Tornados an Land.
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Auch die oft geäußerte Behauptung, in Deutschland gäbe es keine richtigen Tornados, stimmt nicht. Aufgrund anderer Klimabedingungen sind die Voraussetzungen für einen Tornado bei uns nur seltener vorhanden und die entstehenden Tornados durchschnittlich schwächer als beispielsweise im Mittleren Westen der USA. Das Bild zeigt einen entwurzelten Baum nach einem Tornado in Stettenhofen, Bayern.
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Das Risiko für Tornados in der Bundesrepublik ist in der Norddeutschen Tiefebene – wie hier in Mecklenburg-Vorpommern – aufgrund der klimatischen Bedingungen besonders hoch. Zwar werden bereits heute mehrere Dutzend Tornados pro Jahr aus Deutschland gemeldet, doch die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen.
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Im Jahr 2015 zogen verhältnismäßig starker Tornados der Kategorie F3 über Bützow (Mecklenburg-Vorpommern), durch den Landkreis Konstanz (Baden-Württemberg) sowie durch einige Städte im Landkreis Aichach-Friedberg (Bayern). Das Bild zeigt die Aufräumarbeiten in Bützow am Tag nach dem schweren Unwetter, das große Teile der historischen Innenstadt zerstörte. Tornados dieser Kategorie erreichen Windgeschwindigkeiten von rund 300 Stundenkilometer und treten in Deutschland durchschnittlich alle zwei bis drei Jahre auf .
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Es war ein Schock für die Bewohner im Raum Viersen in Nordrhein-Westfalen. Am Mittwoch, den 16. Mai gegen 18 Uhr fegte ein Tornado über die Gegend hinweg. Fast fünfzehn Minuten wütete die Windhose mit enormer Kraft und hinterließ zahlreiche abgedeckte Häuser und umgestürzte Bäume. Zwei Menschen wurden verletzt.
Ein Einzelfall? Eigentlich ist Deutschland kein klassisches Tornadogebiet. Dennoch kommt die Bildung von Windhosen immer wieder vor – durchschnittlich mehrere Dutzend Mal im Jahr. Im Jahr 2016 wurden über sechzig Tornados in Deutschland registriert, Verdachtsfälle nicht eingerechnet. Auch wenn die Zahlen jährlich schwanken, sind die Folgen unübersehbar. Die Wirbelstürme schlagen Schneisen in Wälder, zerstören Häuser oder ganze Ortschaften. Oft hinterlassen die Stürme wahre Verwüstungen.
Geburt aus der Superzelle
In den USA Jahren gehören Meldungen über Tornados zum Alltag, vor allem von März bis Juli. Dann haben die Killerstürme in den USA Hochsaison und versetzen vor allem die Bundesstaaten Texas, Oklahoma, Kansas und Nebraska regelmäßig in Angst und Schrecken. Doch nicht nur hier kämpfen die Menschen mit der Urgewalt der Natur, Wirbelstürme treten fast auf der ganzen Welt auf. Während Hurrikan, Taifun und Zyklon nur unterschiedliche Bezeichnungen für dasselbe Wetterphänomen sind, ist ein Tornado kleinräumiger – und entsteht auch anders.
Damit sich ein Tornado entwickeln kann, bedarf es großer Temperatur- und Druckunterschiede in der Atmosphäre, wie sie bei Gewittern gegeben sind. Feuchtwarme Luft steigt vom Boden nach oben und stößt auf nach unten sinkende trockene, kalte Luft. Durch die Kondensation und die damit frei werdende Energie bilden sich Gewitterwolken, die sich bis zu 15 Kilometer hoch auftürmen können. Nehmen Richtungsänderung und Geschwindigkeit der Winde mit der Höhe an und über diesen Wolkentürmen, den so genannten Superzellen, zu, kommt es zu rotierenden Aufwinden, einer so genannten Mesozyklone – die Verwirbelung entsteht. Ob es nur ein Gewitter gibt oder ob daraus auch ein Tornado entsteht, hängt von den Temperaturgegensätzen der auf- und absteigenden Luftmassen ab. Aus circa zehn bis zwanzig Prozent aller Superzellen entwickelt sich ein Tornado.
Allee der Tornados
Abhängig von dem Ort, an dem der Wirbel entsteht, zieht seine Sogwirkung Sand, Staub oder auch Wasser in sich hinein. Den auftretenden Schäden entsprechend unterscheidet man sechs verschiedene Stärken – von F0 bis F5. Sie reichen von “minimal” bis “katastrophal”. Besonders häufig und heftig tritt das Phänomen in der so genannten “Allee der Tornados” im Mittleren Westen und im Süden der USA auf. Hier treffen die kalte Polarluft aus dem Norden und warm-feuchte subtropische Luft vom Golf von Mexiko aufeinander – eine scharfe Luftmassengrenze ist die Folge.
Bodennahe warme Winde aus dem Süden werden dabei von kalten und starken Winden in der Höhe überlagert. Im Fachjargon der Meteorologen kommt es zu einer starken Windscherung. Aus den daraus entstehenden horizontal rotierenden Luftwalzen kann es unter Einfluss aufsteigender warmer Luftmassen zur Ausbildung vertikaler Wirbel kommen. Die rotierende Walze wird dabei förmlich angehoben und in die Senkrechte gekippt – ideale Bedingungen für die Entstehung eines Tornados.
Trümmerteile werden zu tödlichen Geschossen
Ein Tornado bewegt sich durchschnittlich mit fünfzig Kilometern pro Stunde, kann sich aber in Extremfällen auf bis zu achtzig Stundenkilometer beschleunigen. Sein rotierender Wirbel schafft gar Windgeschwindigkeiten von bis zu 500 Kilometern pro Stunde und hat einen Durchmesser von zehn bis 1.500 Metern. Im Windrüssel des Tornados herrscht, verursacht durch die aufsteigende Warmluft und die kalten Fallwinde an den Seiten des Wirbels, ein starker Unterdruck. Vergleichbar mit einem Staubsauger verursachen die Druckunterschiede eine gewaltige Sogkraft.
Die Drehung des Tornados lässt eingesaugte Trümmerteile wie Geschosse durch die Gegend wirbeln. Sogar Fahrzeuge oder ganze Dächer fliegen Hunderte von Metern durch die Luft. In seinem schnell drehenden Wirbel, der sich nach oben hin verbreitert und an Kraft verliert, wird dabei alles kurz und klein geschlagen. Die Lebensdauer von Tornados reicht von wenigen Minuten bis zu einer Stunde. Ebenso plötzlich, wie sie entstanden sind, lösen sie sich buchstäblich
wieder in Luft auf.
Mehr Tornados durch Erderwärmung
Zwar gibt es, entgegen aller Hysterie, weltweit noch keine Hinweise auf ein vermehrtes Auftreten von Tornados. Dass die Zahl der Tornadosichtungen seit den neunziger Jahren deutlich angestiegen ist, liegt vor allem am verbesserten Beobachtungsnetz. Auch in Deutschland gibt es vermutlich weit mehr Tornados, als frühere Statistiken glauben ließen. Dennoch sind sich Meteorologen in einem Punkt einig: Mit zunehmender Erwärmung des Erdklimas wird auch die Zahl und Intensität der gefährlichen Wetterphänomene ansteigen.
Verändert sich das Klima drastisch, könnten auch die Schulkinder in Deutschland bald lernen, was es heißt, sich vor einem Tornado in Sicherheit zu bringen. Im Mittleren Westen der USA gilt bereits heute: Wenn die Sirenen aufheulen – weg von den Fenstern, raus aus dem Auto und dann so schnell wie möglich in einen Schutzraum. Regelmäßige Übungen sollen Kindern einen Automatismus antrainieren. Ist ein Bunker außer Reichweite, wissen schon die Kleinsten, wie sie sich zu verhalten haben.