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Die Geburt der modernen 3D-Engine Ende des letzten Jahrtausends
Blicken wir zurück in die Mitte der 1990er Jahre. Damals zeichnete sich allmählich ab, dass frei erkundbare 3D-Welten zu den wichtigsten Medienformaten der Zukunft gehören werden – nicht nur in der Computerspielbranche.
Allerdings wurde die Programmierung solcher 3D-Umgebungen immer aufwendiger. Einer der Hauptgründe dafür war die atemberaubend schnelle Entwicklung der Computertechnologie. Wer also als 3D spezialisiertes Software-Studio erfolgreich sein wollte, musste mit jedem neuen Programm detailliertere Grafiken, realistischere Bewegungen im 3D-Raum und immer mehr Features bieten.
Beeindruckende, flüssige 3D-Welten erforderten Mitte der 1990er Jahre echte Ausnahmetalente
Trotz dieser hohen Anforderungen mussten die 3D-Grafiken zudem stets schnell und flüssig laufen – und das optimalerweise auf sämtlichen aktuellen Computer- und Betriebssystemen. Diesen hochgesteckten Erwartungen gerecht zu werden, setzte ein besonderes Programmiertalent voraus.
Hierbei kristallisierten sich schnell einige Vorreiter mit enorm beeindruckender 3D-Technologie heraus, wie etwa der texanische Softwareentwickler id Software, der Mitte der 1990er Jahre mit seiner pfeilschnellen 3D-Technologie in Spielen wie „Doom“ und „Quake“ von sich reden machte.
Branchenvorreiter begannen, ihr 3D-Know-how an Dritte zu lizenzieren
Lange Zeit konnten andere Software-Studios nur davon träumen, derart beeindruckende und flüssige 3D-Welten zu erschaffen. Die Ausnahmestellung der texanischen Softwareschmiede um das Programmiergenie John Carmack sprach sich schnell in der Branche herum und id Software reagierte prompt. Das kleine, aber talentierte Studio begann, seine hochentwickelte Technologie unter dem Namen „id Tech“ gegen Lizenzgebühren anderen zur Verfügung zu stellen.
Die Folge war ein Wandel in der Softwareindustrie. Bis dahin war es üblich, dass erfolgreiche Softwareentwickler ihr Know-how für sich behielten. Mit Beginn des 3D-Zeitalters wurde es jedoch immer üblicher, dass Entwicklerstudios mit besonders fortschrittlicher Technologie ihre Entwicklungswerkzeuge an andere Studios lizenzierten. Dazu gehörte in der Regel auch ein Editor, mit dem sich mit wenigen Handgriffen 3D-Landschaften bauen und abspeichern ließen. Mit der „Doom“-Engine können auch Tüftler ohne Programmierkenntnisse komfortabel 3D-Welten erstellen – und das noch heute.
Quelle YouTube / UncutFullJoelStreams
Die erste Version der heute führenden Unreal Engine erschien im Jahr 1998
Für Tools zum Darstellen und Erstellen von 3D-Landschaften kristallisierte sich in dieser prägenden Phase der Begriff „3D-Engine“ heraus. Eine sehr logische Bezeichnung: Schließlich geht es um ein Programm, das die 3D-Welt mit all ihren Bestandteilen antreibt – und ohne das nichts geht.
Eine 3D-Engine hat fünf zentrale Aufgaben:
- Die 3D-Engine stellt die 3D-Welt dar und berechnet sie aus jeder möglichen Perspektive. Ebenso koordiniert sie alle dort stattfindenden Ereignisse.
- Die 3D-Engine übernimmt die Kommunikation mit der Hardware, damit bei der Darstellung der 3D-Welt die bestmögliche Performance möglich ist.
- Die 3D-Engine erlaubt dem Spieler, über angeschlossene Eingabegeräte mit der 3D-Welt zu interagieren.
- Die 3D-Engine liefert dem Entwickler die notwendigen Tools, um die 3D-Welt zu erstellen und anderen Nutzern zugänglich zu machen.
- Die 3D-Engine gibt dem Entwickler die Möglichkeit, weitere Features hinzuzufügen.
Am 22. Mai 1998 erschien das 3D-Actionspiel „Unreal“ von GT Interactive und Epic Games (damals Epic MegaGames) mit einer bis dahin nicht gekannten Grafikqualität. In Bezug auf Bildqualität, Detailgrad und Performance gab es zu der Zeit nichts Vergleichbares für Heimanwender.
Dies erreichten die Entwickler unter anderem durch die Unterstützung der damals neuesten Technologien. Dazu gehörten Grafikkarten, die speziell für die flüssige Darstellung von 3D-Welten optimiert waren. Das damals neuartige Konzept ist heute Standard.
Quelle YouTube / DerUnrealEngineer
Epic Games setzten von Anfang an auf die Lizensierung ihrer Technologie
Das Spiel „Unreal“ verkaufte sich zwar gut, war jedoch nur bei eingefleischten Computerfans populär. Der Durchbruch für die Unreal Engine kam erst drei Jahre später. Im Jahr 2001 entschied sich das Entwicklerstudio des offiziellen Spiels zu „Harry Potter und der Stein der Weisen“ für die Unreal Engine. Damit war die Unreal Engine im Mainstream-Spielemarkt angekommen.
Von Spielekonsolen über Smartphones bis hin zu VR-Headsets
Epic Games entschied sich nun, auch den boomenden Spielekonsolenmarkt zu bedienen. Speziell angepasste Versionen der Unreal Engine erschienen ab 2001 auf der Sony Playstation 2, der Sega Dreamcast, der Microsoft X-Box und dem Nintendo Gamecube. Seitdem wird jede neue Konsolengeneration mit Versionen der Unreal Engine versorgt. Auch japanische Spielehersteller wie Nintendo und Square-Enix, die bisher ausschließlich auf eigenentwickelte 3D-Technologien setzten, verwenden inzwischen die Unreal Engine.
Seit 2010 unterstützt die Unreal Engine auch Smartphones und Tablets mit den Betriebssystemen iOS und Android. Seit 2014 funktioniert die Unreal Engine auch mit Virtual-Reality-Headsets. Heute kommt sie in Spiele-Blockbustern wie „Fortnite“, „PlayerUnknown’s Battlegrounds“, „Life is Strange“ und „Horgwarts Legacy“ zum Einsatz.
Mittlerweile sehen die 3D-Welten der Unreal Engine so realistisch aus, dass sie auch für 3D-Grafiken und Spezialeffekte in Hollywood-Produktionen eingesetzt wird. Beispiele sind „Jurassic World: Dominion”, „Avatar 2“, „Planet der Affen: Survival“, „The Batman“ und Serien wie „The Mandalorian” und „Stranger Things”. Weitere verbreitete 3D-Engines sind Unity (Unity Technologies), Frostbite (Digital Illusions CE) und Blender (Blender Foundation).
Der Internetbrowser als Herausforderung für die Unreal Engine
Während moderne Spielwelten für Konsolen und Gaming PCs immer realistischer und beeindruckender werden, stagniert die grafische Darstellung von Web-Inhalten seit Jahren. Der Grund: Internetbrowser waren nie darauf ausgelegt, grafikintensive Anwendungen auszuführen. Dementsprechend gibt es auch noch keine für Browser optimierte Fassung der Unreal Engine.
Doch findige Entwickler wussten sich zu helfen und machten sich die Programmierschnittstelle WebGL zunutze. Diese komprimiert die durch die Unreal Engine generierten 3D-Grafiken, damit die ausgespielten Szenen ohne Performance-Verlust in einem Browser dargestellt werden können. Durch dieses Verfahren laufen 3D-Plattformen wie das MILC Metaverse auch problemlos auf Laptops und Mittelklasse-Rechnern.
Bleiben lizensierte 3D-Engines der Standard der Branche?
Interaktive, frei erkundbare 3D-Welten von Grund auf neu zu programmieren, ist aufgrund der Komplexität der 3D-Grafikberechnung und der Vielzahl unterschiedlicher Systemkonfigurationen zu einer Herkulesaufgabe geworden. Der Einsatz einer lizenzierten 3D-Engine hingegen ermöglicht es auch kleineren Entwicklerstudios, den Programmieraufwand zu minimieren und sich auf das Design der 3D-Welten zu konzentrieren.
Dennoch kommen auch Bastler und begnadete Programmierer nach wie vor auf ihre Kosten. Viele der gängigen 3D-Engines sind flexibel erweiterbar und an die unterschiedlichsten Bedürfnisse anpassbar. Dass auch das Metaverse auf einer der gängigen 3D-Engines wie Unreal Engine, Unity oder Blender laufen wird, scheint derzeit durchaus möglich.