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Unterschwellige Werbung: Wie wir manipuliert werden

Foto: Pixabay / chatst2

Unterschwellige Werbung: Wie wir manipuliert werden

Kann uns Werbung beeinflussen, ohne dass wir es merken? Lange hielt man das für einen Mythos. Doch Studien zeigen: Es könnte tatsächlich gehen. Kann uns die Industrie so manipulieren, dass wir zu willenlosen Kaufmaschinen werden?

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Kann uns Werbung beeinflussen, ohne dass wir es merken? Lange hielt man diese Annahme für einen Mythos. Doch Studien zeigen: Es könnte tatsächlich gehen. Kann uns die Industrie so manipulieren, dass wir zu willenlosen Kaufmaschinen werden?

In den Fünfzigerjahren behauptete der US-Amerikaner James Vicary, mit einem neuartigen Verfahren die Werbewelt revolutioniert zu haben: Er habe unterschwellige Werbebotschaften in Kinofilme eingeblendet. Für den Bruchteil einer Sekunde, für das Publikum nicht bewusst wahrnehmbar, seien die Schriftzüge „Iss Popcorn!“ und „Trink Cola!“ über die Leinwand geflimmert. Daraufhin seien die Zuschauer wie ferngesteuert zur Kinotheke gelaufen; der Absatz von Coca-Cola sei um 18 Prozent, von Popcorn sogar um 58 Prozent gestiegen.

Manipulation der Massen

Ein Aufschrei der Empörung ging damals um die Welt. Durfte Werbung so etwas? Konnten Menschen zu willenlosen Konsummaschinen gemacht werden? Und was, wenn die Politik sich so ein Verfahren zunutze machen würde? Wissenschaftler diskutierten sich die Köpfe heiß. Schließlich wurde unterschwellige Werbung in mehreren Ländern verboten.

Die Geschichte – das gab James Vicary später zu – war frei erfunden. Den Spezialprojektor hatte es zwar tatsächlich gegeben, aber die unterschwelligen Werbebotschaften hatten keinen messbaren Effekt gehabt. Geblieben ist der Mythos bis heute. Noch immer diskutieren Wissenschaftler, ob eine solche heimliche Beeinflussung nicht doch möglich ist. Und nun legen Studien nahe: Es könnte tatsächlich gehen.

Die Idee, Menschen mit unterschwelliger Werbung zu beeinflussen, kam bereits vor über hundert Jahren auf. Doch erst nach dem Zweiten Weltkrieg gab es erste Versuche, die Wirkung solcher sogenannten „subliminalen“ Botschaften zu untersuchen. James Vicarys „Iss-Popcorn-Trink-Cola“-Studie war nicht die einzige: Laut der London Sunday Times wurden in Großbritannien ähnliche Experimente durchgeführt. Angeblich habe sich hier aufgrund eingeschnittener Bilder der Absatz einer Eismarke steigern lassen.

Versuche in Deutschland

Vicarys Experiment ist in der Wissenschaft zigfach wiederholt worden – ohne dass jemals ein vergleichbarer Effekt beobachtet werden konnte. Im Jahr 2001 starteten Studenten der Universität Mainz einen Versuch: Sie zeigten ihren Kommilitonen Werbespots für Autos und Biermarken, in die Bilder von Unfällen hineingeschnitten waren. Anschließend sollten die Kommilitonen angeben, ob sie nach einigen Gläsern Bier noch Auto fahren würden. Ihre Theorie: Die Mitstudenten, die die eingeblendeten Unfallbilder gesehen hatten, würden das Fahren unter Alkoholeinfluss eher ablehnen als diejenigen, die keine Bilder gesehen hatten. Doch auch hier zeigte sich kein messbarer Effekt.

Der Mythos, dass sich Menschen mit subliminaler Werbung beeinflussen ließen, hielt sich trotzdem. Fernsehsender von Kanada bis Russland versuchten, mit geheimen Botschaften ihr Publikum zu beeinflussen. Ein Fabrikant von Glücksspielautomaten geriet in die Kritik, weil seine Maschinen eine unterschwellige Gewinnkombination zeigten. In den USA versuchte die Polizei, einen gesuchten Mörder mit einem versteckt eingeblendeten Aufruf im Fernsehen zur Selbstanzeige zu bewegen. Sogar die CIA beschäftigte sich mit der Wirkung der geheimen Botschaften – wiederum ohne Ergebnis.

Was ist wirklich dran?

Der niederländische Psychologe Johan Karremans von der Universität Nijwegen zeigte in einem Experiment, wie unterschwellig eingeschnittene Botschaften doch einen Effekt haben können. Er präsentierte seinen Probanden kurze Spots, bei denen sie zählen sollten, wie oft der Buchstabe B vorkam. In die Hälfte der Spots hatte er unterschwellige Botschaften eingebaut: Sie enthielten den Namen eines Eistee-Herstellers. Die Kontrollgruppe sah lediglich eine sinnlose Buchstabenfolge.

Die unterschwellige Botschaft war jedoch nur ein Teil des Experiments. Beide Gruppen wurden erneut unterteilt: Die einen erhielten vor der Aufgabe Salzgebäck zu essen, die anderen nicht. Im Anschluss bekamen alle Probanden etwas zu trinken, wobei sie zwischen der eingeblendeten Eisteemarke und schlichtem Mineralwasser wählen konnten.

Nun zeigte sich ein erstaunlicher Effekt: Die Gruppe, die vorher Salzgebäck gegessen hatte, also bereits während der Aufgabe durstig war, und zusätzlich die eingeblendete Werbung gesehen hatte, griff tatsächlich zu achtzig Prozent zum Eistee. Alle anderen wählten gleichmäßig Eistee und Mineralwasser.

Eine gewisse Aufmerksamkeit muss vorhanden sein

Karremans Experiment zeigt Folgendes: Subliminale Botschaften haben eine Wirkung, wenn zuvor die Aufmerksamkeit für das Thema geweckt wurde. Die Probanden, die schon vorher durstig waren, hatten offensichtlich eine erhöhte Aufmerksamkeit für Getränke entwickelt, sodass die Eisteewerbung – auch wenn sie nicht bewusst wahrnehmbar war – tatsächlich wirken konnte.

Ein solcher Effekt wird in der Kommunikationswissenschaft „Priming“ genannt. Ist unser Gehirn auf einen bestimmten Sachverhalt eingestimmt, nehmen wir alles stärker wahr, was damit in Zusammenhang steht. Auf diese Weise können selbst solche unterschwelligen Botschaften – Millisekunden lang – Spuren in unserem Gedächtnis hinterlassen.

Dass unser Gehirn unterschwellige Botschaften tatsächlich wahrnimmt, zeigen auch Ergebnisse aus der Neurowissenschaft. Forscher konnten durch Gehirnscans beweisen, dass selbst kleinste Reize Reaktionen im Kopf auslösen – sofern die Aufmerksamkeit da ist und unser Gehirn nicht gerade mit etwas anderem beschäftigt ist.

Der britische Neurowissenschaftler Bahador Bahrami zum Beispiel demonstrierte, dass auch Bilder, die unsere Netzhaut nur Millisekunden lang streifen, Reaktionen im primären visuellen Cortex auslösen. Das ist ein Teil der Großhirnrinde, der für unsere visuelle Wahrnehmung verantwortlich ist. Obwohl seine Probanden glaubten, nichts gesehen zu haben, zeigte seine Magnetresonanztomografie eine Veränderung im Gehirn an.

Was bedeuten diese Ergebnisse?

Werden wir nun also doch zu willenlosen Kaufmaschinen? Bahador Bahrami hält dies für durchaus wahrscheinlich. Auch der Psychologe Johan Karremans, der für das Eistee-Experiment verantwortlich war, schlägt weitere Nachforschungen vor – sicherheitshalber. Andere Forscher wiederum argumentieren, dass die unterschwelligen Botschaften niemals eine Handlung auslösen könnten – höchstens eine bestehende Absicht verstärken. Ohne eine bestimmte Voreinstellung oder Aufmerksamkeit für das Thema seien die Bilder schließlich wirkungslos geblieben.

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