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Weltraumtourismus: bald Alltag?

Foto: Virgin Galactic Holdings Inc

Urlaub im All: Ist Weltraumtourismus bald Standard?

Reisen ins All sind längst keine Zukunftsmusik mehr. Doch hat der Weltraumtourismus eine Zukunft? Das sind die Fakten.

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Wer genug von Urlaub innerhalb Europas hat, verreist womöglich nach Asien oder Amerika. Oder darf es noch ein Stück weiter weg sein? Ab 2022 wollen führende Unternehmen mit dem Weltraumtourismus vollends durchstarten. Bereits im Jahr 2021 flogen mehrere Menschen ins All oder an die Grenze des Weltraums.

Für Aufsehen sorgte vor allem der britische Milliardär Richard Branson, dessen Unternehmen Virgin Galactic die ersten offiziellen Touristinnen und Touristen beförderte. Kurz darauf startete auch Blue Origin den ersten bemannten Flug. Das Unternehmen gehört Amazon-Gründer Jeff Bezos. Als dritter Mann ist Tesla-Chef Elon Musk mit seinem Weltraumunternehmen Space X ins Geschäft Weltraumtourismus eingestiegen.

Der erste Weltraumtourist hob schon 2001 von der Erde ab. Der US-amerikanische Unternehmer Dennis Anthony Tito reiste zur Internationalen Weltraumstation ISS und zahlte dafür rund 20 Millionen US-Dollar. Der neue Weltraumtourismus setzt nicht nur auf Individualreisen. Bald können mehrere Touristinnen und Touristen gemeinsam eine Reise ins All antreten.

Virgin Galactic, Blue Origin und Space X: Unternehmen liefern sich Kopf-an-Kopf-Rennen

„Wir sind das weltweit erste kommerzielle Raumfahrtunternehmen“, heißt es auf der Website von Virgin Galactic. Das Unternehmen, gegründet von Milliardär Richard Branson, entwickelt und betreibt mit seiner Schwesterfirma The Spaceship Company Raumfahrzeuge. Das Ziel von Virgin Galactic: Den Weltraum für alle öffnen. „Unsere Vision ist es, jedes Jahr Hunderte von Flügen vom Spaceport America in der Wüste von New Mexico und anderen Spaceport-Standorten auf der ganzen Welt durchzuführen“, kündigte Branson an.

Dem Traum vom All ist der 71-jährige Brite am 11. Juli 2021 ein großes Stück näher gekommen. Das Raumschiff „VSS Unity“ startete mit Branson sowie zwei künftigen Astronautinnen und drei Astronauten an Bord. Nachdem das Raumflugzeug die Erdatmosphäre durchdrungen hatte, erlebten die Passagiere mehr als 85 Kilometer über der Erde mehrere Minuten der Schwerelosigkeit, bevor es wieder zurück ging. Insgesamt dauerte der Flug rund eine Stunde. Ob Branson damit offiziell im All war, ist umstritten. Denn der Internationale Luftfahrtverband (FAI) zieht die Grenze zum Weltraum erst bei 100 Kilometer über der Erde.

Amazon-Gründer Bezos im Weltall

Nur wenige Tage später startete mit Jeff Bezos der nächste Superreiche ins Weltall. Der Amazon-Chef gründete sein Weltraumunternehmen Blue Origin im September 2000, er selbst bestieg das Raumschiff fast 21 Jahre später am 20. Juli 2021. Der vollautomatisch organisierte Flug der „New Shepard“ dauerte gerade einmal zehn Minuten. Innerhalb kürzester Zeit erreichte die Kapsel eine Höhe von mehr als 100 Kilometern. Begleitet wurde Bezos von seinem Bruder Marc. Außerdem waren mit dem damals 18-jährigen Oliver Daemen der jüngste Mensch und mit der 82-jährigen Pilotin Wally Funk der älteste Mensch im All. Seitdem hat Blue Origin zwei weitere Raumflüge abgeschlossen, zuletzt am 11. Dezember 2021 mit sechs Astronautinnen und Astronauten an Bord.

Noch länger dauert eine Reise mit Space X. Das Unternehmen von Tesla-Gründer Elon Musk bietet kommerzielle Flüge sowohl in der Erd- als auch in der Mondumlaufbahn an. Am 16. September 2021 startete die erste Mission mit vier Touristinnen und Touristen vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral im US-Bundesstaat Florida. Für sie ging es in einer „Crew Dragon“-Kapsel weit höher hinaus als für die bisherigen Ausflügler: Drei Tage umkreiste die Kapsel in einer Höhe von rund 585 Kilometern und mit einer Geschwindigkeit von etwa 27.000 Stundenkilometern die Erde. An Bord war der Gründer und Chef des Zahlungsdienstleisters Shift4Payments, Jared Isaacman. Er hatte ein weiteres Ticket verschenkt und zwei weitere über Spendenaktionen verlost.

Suborbitaler Raum, ISS oder Mond: Wohin geht die Reise?

Weltraumtouristinnen und Weltraumtouristen, die sich für einen Flug mit Virgin Galactic oder Blue Origin entscheiden, treten eine kurze Reise an. Ein Flug in die Schwerelosigkeit dauert mit Virgin Galactic etwa eine Stunde, mit Blue Origin knapp zehn Minuten. Anders sieht es bei Space X aus. Geplant sind tagelange Flüge und Erkundungsreisen, die auch wissenschaftliche Erkenntnisse liefern sollen. Wie das Unternehmen schreibt, bietet es verschiedene kommerzielle Reisen an – darunter in der „Dragon“-Kapsel in 300 Kilometern Höhe um die Erdlaufbahn. „Dragon umkreist die Erde alle 90 Minuten vollständig, was eine hochgradig individuelle Flugbahn ermöglicht. Fliegen Sie über Ihre Heimatstadt, berühmte Sehenswürdigkeiten und andere für Sie bedeutsame Orte“, wirbt Space X.

Im Oktober 2021 ist ein russisches Filmteam in einer Sojus-Kapsel zur Raumstation ISS geflogen, auf der es einige Tage verbrachte. Am 8. Dezember 2021 startete der japanische Milliardär Yusaku Maezawa mit seiner Assistentin sowie einem russischen Kosmonauten seine Reise zur ISS. Zwei Wochen verbrachten sie dort. Neben weiteren Flügen ins Weltall und zur ISS plant Space X, künftig auch Menschen zum Mond und zum Mars zu befördern.

Wie laufen Start und Landung ab?

Von den verschiedenen Weltraumflughäfen starten die Raumschiffe in Richtung Weltraum. Dabei setzen die Unternehmen auf eine ähnliche Technik. Raumschiff und Mutterschiff fliegen gemeinsam. Nachdem sie die dicksten Schichten der Atmosphäre passiert haben, wird das Mutterschiff vom Raumschiff beziehungsweise der Kapsel getrennt. Der kleinere, bemannte Teil steigt allein weiter auf. Bei Virgin Galactic und Blue Origin auf 80 bis 100 Kilometer. Dort lässt sich die Schwerelosigkeit einige Minuten lang erleben. Im Anschluss gleitet das Virgin-Galactic-Raketenflugzeug mithilfe seiner Flügel in Richtung Erde zurück. Die Kapsel von Blue Origin wird vor der Landung durch drei riesige Fallschirme ausgebremst.

Ähnlich laufen Start und Landung bei den Space-X-Raketen ab – nur sind diese viel länger unterwegs. Die „Inspiration4“-Reisenden landeten nach drei Tagen in der Kapsel mit einer Geschwindigkeit von 24 km/h im Meer vor der Küste Floridas.

Wie viel kostet ein Flug in den Weltraum?

Im Vorverkauf kostet das Ticket für einen Flug mit Virgin Galactic 450.000 US-Dollar. Damit hat sich der Preis deutlich erhöht: Zu Beginn wollte das Raumfahrtunternehmen für den kurzen Flug an den Rand des Weltraums 250.000 US-Dollar verlangen. Blue Origin gibt nicht bekannt, wie viel die Tickets für Flüge an Bord der „New Shepard“ kosten. Aber bei einer Auktion im Juni 2021 wurden für die Reise mit Jeff Bezos 28 Millionen US-Dollar geboten. „Momentan läuft es gut mit Privatverkäufen“, sagte Jeff Bezos der „New York Times“. Blue Origin kündigt in einer Mitteilung an, weitere „Shepard“-Raumfahrzeuge zu bauen, um die Nachfrage abzudecken. Ziel sei, durch mehrfaches Nutzen die Kosten zu senken.

Um einiges teurer ist eine Reise mit Space X. Für seinen dreitägigen Flug soll Milliardär Jared Isaacman für sich und seine Mitreisenden rund 200 Millionen US-Dollar hingeblättert haben, das entspricht rund 50 Millionen pro Person. Wie viel Isaacman genau zahlte, wollten weder er noch das Unternehmen verraten.

Ein Spaziergang im Weltraum

Damit nicht nur Superreiche die Schwerelosigkeit erleben können, soll die Raumfahrt jedoch günstiger werden. Laut ARD-Wissenschaftsexperte  Uwe Gradwohl ist vor allem Space X dabei auf einem guten Weg. „Die ganzen Gerätschaften sind zum großen Teil wiederverwendbar“, erklärte er in der ARD-„Tagesschau“. Deshalb gebe es dort Spielraum, die Reisen günstiger zu gestalten.

Der Anbieter Space Adventures, der auch dem ersten Weltraumtouristen Tito die Reise ermöglichte, plant, innerhalb der kommenden zehn Jahre eine große Palette an Optionen anzubieten. Ein Angebot lautet etwa, einen Weltraumspazierganz zu unternehmen. Das hat bislang niemand getan, der nicht dafür ausgebildet war. Doch bis Normalverdienende sich einen Trip in die Schwerelosigkeit leisten können, wird es wohl noch viele Jahrzehnte dauern.

Welche Voraussetzungen brauchen die Reisenden?

Je nachdem wohin es geht, benötigen Touristinnen und Touristen eine Ausbildung. Die vier Reisenden der „Falcon 9“-Rakete von Space X absolvierten knapp ein halbes Jahr lang ein Training, sozusagen einen Astronauten-Crashkurs im Schnelldurchlauf. Innerhalb von fünf Monaten lernten sie alles Notwendige über die Raumfahrt, brachten ihre Körper an ihre Grenzen und probten Worst-Case-Szenarien. Außerdem bestiegen sie, ausgerüstet mit Eispickeln und Steigeisen, den mehr als 4300 Meter hohen Mount Rainier. Danach ging es ins Trainingslager. „Jeder Tag war so ziemlich ein Zwölf-Stunden-Tag, anschließend ging man ins Hotelzimmer und lernte“, berichtete Isaacman dem „Business Insider“.

Anders sieht es bei den wenige Minuten dauernden Flügen an die Grenze zum Weltall aus. Für den elfminütigen Flug mit Blue Origin bekamen die Touristinnen und Touristen eine zweitägige Ausbildung, wie der Flugdirektor des Unternehmens, Steve Lanius, bekanntgab.

Auch Astronautinnen und Astronatuen, die mit Virgin Galactic reisen wollen, müssen ein Flugvorbereitungsprogramm absolvieren. Dabei lernen sie vor allem, die Zeit in der Schwerelosigkeit zu nutzen und sich bei der hohen Beschleunigung sicher und wohl zu fühlen, schreibt das Unternehmen.

Wie sicher ist die Reise ins Weltall?

Alle Unternehmen versprechen eine sichere Reise. Expertenteams forschen seit Jahrzehnten an sicherer Technik, um Menschen ins All zu befördern. Fakt ist: Bei Raketenstarts und -landungen ist es mehr als einmal zu Problemen mit fatalen Folgen gekommen. In der Geschichte der bemannten Raumfahrt passierte 1986 eine der größten Katastrophen, als die „Challenger“ 73 Sekunden nach dem Start explodierte. Alle sieben Astronauten kamen ums Leben. Im Jahr 2003 starben sieben Astronautinnen und Astronauten, nachdem die „Columbia“ kurz vor der Landung auseinanderbrach.

Seitdem kam es zwar nicht mehr zu tödlichen Unglücken, jedoch lief bei unbemannten Fahrten einiges nicht wie geplant. Elon Musk und sein Raumfahrtunternehmen Space X mussten bereits einige Rückschläge einstecken. Beim Testflug einer „Starship“-Rakete, die Reisen zum Mars und zum Mond ermöglichen soll, kam es bei der Landung zu einer Explosion.

Welche Erfahrungen sammeln Weltraumtouristinnen und Weltraumtouristen?

Virgin-Galactic-Gründer Richard Branson sagte nach seiner Reise: „Seit meiner Kindheit habe ich von diesem Moment geträumt, aber nichts hätte mich auf den Blick auf die Erde aus dem Weltraum vorbereiten können.“ Nicht nur der Wunsch, die Erde von oben zu sehen, lässt Menschen vom Weltall träumen. Auch das Gefühl der Schwerelosigkeit möchte der ein oder andere gerne einmal erleben. Für Adrenalin-Junkies dürften vor allem der Raketenstart und die hohe Geschwindigkeit während der Reise einen Reiz ausüben.

Wie Branson geriet auch Blue-Origin-Chef Jeff Bezos nach seinem Flug ins Schwärmen. „Ich kann es nicht in Worte fassen. Es war so viel mehr als ich erwartet hatte. Es ist beeindruckend“, sagte er in einem Interview mit „Bloomberg“ nach der Landung. Doch für diese einzigartige Erfahrung müssen nicht nur die Reisenden eine Menge Geld hinblättern, auch die Umwelt zahlt einen hohen Preis für den Weltraumtourismus.

Wie umweltschädlich ist die Reise?

Bezos berichtete nach seinem Flug und der Sicht auf die Erde: „Es ist ein Planet und wir teilen ihn und er ist zerbrechlich.“ Er erklärte außerdem, dass seine Reise sein Engagement verstärke, den Klimawandel bekämpfen zu wollen. In Weltraumtechnologien zu investieren, könne zukünftigen Generation helfen, argumentierte der Amazon-Gründer.

„Wir müssen eine Straße zum Weltraum aufbauen, damit unsere Kinder und deren Kinder eine Zukunft haben.“ Sein Raumfahrtunternehmen setzt auf wiederverwendbare Raketen. Außerdem schlägt Bezos vor, umweltverschmutzende Industrien in den Weltraum zu verlagern, um die Erde zu schützen. Doch auch diese utopische Idee würde die Atmosphäre unseres Planeten zusätzlich belasten.

„Wir müssen eine Straße zum Weltraum aufbauen, damit unsere Kinder und deren Kinder eine Zukunft haben.“

Umweltschützerinnen und Umweltschützer sowie Wissenschaflterinnen und Wissenschaftler kritisieren den Weltraumtourismus. Eloise Marais, Professorin für Physische Geografie am University College London, sagte „The Guardian“, der Start der neuen privaten Raumfahrtindustrie könnte mit enormen Kosten verbunden sein. Denn wenn Raketen ins All starten, benötigen sie große Mengen an Treibstoff. Dadurch gelangen unter anderem Wasser, Kohlendioxid, Chlor und andere Chemikalien in die Atmosphäre.

Keine Vorschriften für Raketenemissionen

Bislang seien die CO2-Emissionen von Raketen im Vergleich zur Flugindustrie gering, erklärt die Wissenschaftlerin. Jedoch würden sie pro Jahr um fast 5,6 Prozent steigen. „Für einen Langstreckenflug sind es ein bis drei Tonnen Kohlendioxid pro Passagier“, erläutert Marais. Für einen Raketenstart seien es 200 bis 300 Tonnen, aufgeteilt auf vier Passagiere. Die Raumfahrt müsse also „nicht mehr viel wachsen, um mit den anderen Industrien zu konkurrieren“. „Wir wissen nicht, wie groß die Raumfahrtindustrie werden wird“, mahnt sie. Noch gebe es keine Vorschriften für Raketenemissionen.  Marais: „Jetzt ist die Zeit zum Handeln – während die Milliardäre ihre Tickets kaufen.“
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