Die Abschiebung eines kleinen kubanischen Jungen wird 2000 zum Politikum – mit Folgen für die US-Wahl im selben Jahr. Die Exilkubaner und Latino-Wähler hatten den Vorfall nämlich nicht vergessen.
In den frühen Morgenstunden des 22. April 2000 stürmen Spezialeinheiten der US-Grenzschutzpolizei das Haus einer kubanischen Einwandererfamilie in Miami. Polizisten in Kampfausrüstung richten ihre Maschinenpistolen auf Lázaro González und entreißen ihm seinen sechsjährigen Großneffen Elián. Unter dem Protest von rund 50 Exilkubanern wird der Junge aus dem Haus getragen und zwei Monate später von der US-Regierung unter Bill Clinton zurück nach Kuba geschickt. Für das Weiße Haus ist der Fall damit erledigt – nicht aber für die in Miami und anderswo in Florida wahlberechtigten Exilkubaner und Latino-Wähler.
Die gefährliche Flucht war umsonst
Sie haben nicht vergessen, dass es gerade mal ein halbes Jahr her ist, dass Eliáns Mutter versucht hat, mit ihm in die USA zu flüchten, und dabei bei einem Schiffbruch ertrunken ist, während ihr Sohn auf einem Reifenschlauch weiter nach Florida trieb. Mit Eliáns Abschiebung war all das nun vergebens – und die kubanische Exil-Gemeinde Floridas schwört Rache. Ihre Mitglieder wissen: Der Tag wird kommen, an dem die Clinton-Administration die Quittung für ihr Handeln bekommt. In Washington ist sich jedoch niemand dessen bewusst, dass dieses scheinbar unbedeutende Ereignis massive Auswirkungen auf die Weltpolitik haben wird – allerdings erst fünf Monate später: am 7. November 2000 bei der US-Präsidentschaftswahl.
Schnell zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen George W. Bush und Al Gore ab. Ausgerechnet Florida wird dabei zum Schlüsselstaat – die Stimmen der Exilkubaner sind für beide Kandidaten unverzichtbar. Gore hat jedoch ein Problem: Er war Vize-Präsident unter Clinton und wird daher für Eliáns Abschiebung mitverantwortlich gemacht. So gewinnt am Ende tatsächlich Bush mit einer Differenz von 537 Stimmen in Florida – und das dank der Stimmen der Latino-Wähler. Seine Präsidentschaft läutet das Zeitalter des Terrors ein: Es kommt zu den Anschlägen vom 11. September und zum Krieg gegen einen Feind, der über Jahre nicht zu besiegen ist.