Die Erkenntnis, dass das Universum überhaupt eine Struktur hat, ist noch gar nicht alt. Bis in die siebziger Jahre hinein kannte man nur die zweidimensionalen Bilder der Teleskope, auf denen die Materie relativ gleichmäßig im All verteilt zu sein schien.
Man wusste, dass sich Sterne und Planetensysteme in Galaxien befinden, diese sich zu Galaxienhaufen zusammenschließen, und dass viele Galaxienhaufen einen Superhaufen bilden können. Solche Superhaufen hielt man lange Zeit für die größten zusammenhängenden Strukturen im All.
Filamente verbinden Galaxienhaufen
Doch die ersten dreidimensionalen Durchmusterungen des Weltalls ergaben ein anderes Bild. Forscher wie die beiden US-amerikanischen Astronomen Brent Tully und Richard Fisher kombinierten die Positionsdaten der Sterne mit der Rotverschiebung, einem Effekt, den Edwin Hubble schon 1929 entdeckt hatte.
Je weiter ein Objekt im Universum von uns entfernt ist, hatte er damals erkannt, desto mehr ist sein Licht ins Rote verschoben. Über die Rotverschiebung ließ sich die Entfernung eines Sterns ermitteln, und so konnten die ersten räumlichen Bilder vom Universum entstehen.
Groß angelegte Durchmusterungen wurden in Angriff genommen, insbesondere vom Harvard-Smithsonian-Institut für Astrophysik. Und man erkannte: Superhaufen liegen keineswegs wahllos im All herum, sondern sind in einer netzartigen Struktur angeordnet. Durch lange Fasern, sogenannte Filamente, werden sie miteinander verknüpft. Das größte Filament wurde 1989 von Margaret Geller und John Huchra entdeckt, die es Große Mauer tauften. Es ist fünfhundert Millionen Lichtjahre lang, dreihundert Millionen Lichtjahre hoch und fünfzehn Millionen Lichtjahre dick.
Und noch etwas zeigten die dreidimensionalen Bilder: Die Große Mauer ist tatsächlich eine Mauer – um sie herum befindet sich praktisch nichts. Die Filamente im All umspannen gewaltige, quasi materiefreie Blasen – die Voids. Diese Hohlräume machen den größten Teil unseres Universums aus. Zwischen fünfzig und neunzig Prozent des Alls, schätzen Forscher, sind frei von Galaxien oder Sternen. Diese Erkenntnisse waren revolutionär. Sie stellte das Bild, das man bis dahin vom Universum gehabt hatte, komplett auf den Kopf.
Wie groß sind Voids?
1997 katalogisierten Forscher anhand von Daten des Forschungssatelliten IRAS 24 Voids, von denen zwölf als bedeutend eingestuft wurden. Eines von ihnen ist das Lokale Void, an das unsere Milchstraße grenzt. Diese Voids haben in der Regel einen Durchmesser von etwa hundert Millionen Lichtjahren.
2004 glaubte ein Forscherteam um Dr. Patricio Vielva sogar, ein Void mit dem Durchmesser von 250 Millionen Lichtjahren im Sternbild Eridanus entdeckt zu haben, doch neuere Berechnungen, die an der Universität Michigan stattfanden, bezweifeln solche Ausmaße.
Ganz unwichtig sind Voids für uns nicht. Wäre die Materie im Universum von Anfang an gleichmäßig verteilt gewesen, hätte sich wohl niemals eine Struktur gebildet, wie wir sie heute kennen – inklusive unseres eigenen Planetensystems. Ersten geringen Dichteschwankungen ist es zu verdanken, dass im Laufe vieler Milliarden Jahre die Schwerkraft wirken konnte, dass weniger schwere Objekte von massiveren Körpern angezogen wurden und Systeme bildeten.
Ein internationales Astrophysikerteam unter der Leitung von Forschern des Max-Planck-Instituts in Garching hat diesen Prozess in einem Supercomputer simuliert. Ihre Bilder zeigen, wie durch den Gravitationsprozess Galaxien entstanden, wie sich Galaxienhaufen, Superhaufen und schließlich Filamente bildeten. Und wie zwischen den Filamenten immer größer werdende Voids entstanden.
Entstanden Voids schon vor dem Urknall?
Das Interessante: Großflächige Strukturen wie etwa die Große Mauer oder bestimmte Voids müssen theoretisch schon vor dem Urknall entstanden sein. Sie sind so gewaltig, dass sie sich selbst in den 13,7 Milliarden Jahren seit damals nicht hätten formen können.
Schon vor der Entstehung unseres Universums und bevor sich die uns bekannte baryonische, also die strahlende Materie zusammenklumpen konnte, muss eine andere Form von Materie, die dunkle Materie, Dichtefluktuationen angeboten haben. Die baryonische Materie wiederum ist dann, bei ihrer Entstehung, in diese bestehenden Strukturen hineingefallen.
Bis heute existiert wahrscheinlich dunkle Materie in den Voids. „Wir können sie nicht sehen oder messen aber wir vermuten, dass sie da ist. Bestimmte Vorgänge lassen sich anders nicht erklären. Allerdings ist es leichter, etwas über das zu sagen, was man sieht, als das, was man nicht sieht“, erklärt Simon White, Direktor am Max-Planck-Institut in Garching. Völlig „leer“ sind Voids also nicht. Nur baryonische Materie findet sich hier praktisch nicht – vielleicht ein Atom in zwei Kubikmetern, schätzt White. Sterne oder Galaxien enthalten sie nicht.
Um genauere Erkenntnisse über Voids und die großräumigen Strukturen in unserem Universum zu erlangen, läuft seit 2013 eine der größten Durchmusterungen der Geschichte. Ein Viertel des Himmels wird über einen Zeitraum von 16 Jahren hinweg neu vermessen. Dieser Sloan Digital Sky Survey, ein internationales Projekt, bei dem auch Deutschland mitwirkt, soll eine dreidimensionale Karte von über hundert Millionen Himmelskörpern ermöglichen – quasi ein Atlas des Alls.