Ein „Platz an der Sonne“
Es gibt noch ein weitaus prominenteres Zitat, das bis heute als Sinnbild des Deutschen Reichs jener Zeit gilt: „Wir wollen niemanden in den Schatten stellen, aber wir verlangen auch unseren Platz an der Sonne.“ Mit dieser Aussage unterstrich der spätere Reichskanzler Bernhard von Bülow 1897 in einer Reichstagsrede die kolonialen Ambitionen des Landes. Zwar wurden in der Herrschaftszeit Wilhelms II. nur wenige Kolonialgebiete neu erworben – aber die Bedeutung der überseeischen Ländereien unterschied sich deutlich von jener, die sie unter Bismarck hatten. Die meisten heute noch als ehemalige Kolonien bekannten Gebiete wurden bereits zu Zeiten des „Eisernen Kanzlers“ zu deutschen „Schutzgebieten“. So gerieten unter anderem Deutsch-Südwest-, West- und -Ostafrika sowie weite Teile von Deutsch-Neuguinea zwischen 1884 und 1885 unter Kontrolle des Reichs, 1888 kam noch die Pazifikinsel Nauru dazu. Danach endete die offensive Kolonialpolitik unter Bismarck; erst nach der Entlassung des Reichskanzlers durch Wilhelm II. gab es einige weitere „Neuerwerbungen“ und Erweiterungen bestehender Gebiete. So wenig sich die koloniale Landkarte in der Epoche des Wilhelminismus noch änderte, so deutlich verschob sich die Kolonialpolitik des Kaiserreichs: Bismarck nutzte die Schutzgebiete als Verhandlungsmasse einer auf Entspannung ausgerichteten Außenpolitik, um das Verhältnis zu Frankreich und England zu verbessern. Unter Wilhelm II. wurden sie dann zum Symbol nationaler Größe, das nicht verhandelbar war. Unter anderem führte so ein fast zehn Jahre dauernder Streit um den Einfluss in Marokko fast zu einem Krieg zwischen Deutschland auf der einen und England und Frankreich auf der anderen Seite. Erst der Marokko-Kongo-Vertrag von 1911 beendete die Krise, nachdem das Kaiserreich seine Ansprüche gegen einen Teil des französischen Kongo-Gebietes eintauschte.Volle Fahrt Richtung Katastrophe: Wilhelm II. – auf dem Weg zum Weltkrieg
Er versprach den Deutschen „herrliche Tage“ – und führte sie in den Ersten Weltkrieg: Der letzte deutsche Kaiser Wilhelm II.
Herrscher „von Gottes Gnaden“: Der Kaiser mit seinem Sohn und seinem Enkel ...
... und mit den beiden Generälen Hindenburg und Ludendorff. Da hatte der Erste Weltkrieg schon begonnen.
Der letzte deutsche Kaiser hat maßgeblich daran mitgewirkt, dass es zur "Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts" kommen konnte ...
... und damit alle vorherigen Anstrengungen Bismarcks zunichte gemacht, der stets auf ein Gleichgewicht der Mächte in Europa bedacht war.
Eine der Hauptursachen: Die Kolonialpolitik des Kaiserreichs unter Wilhelm II. Während die Gebiete unter Bismarck als außenpolitische Verhandlungsmasse dienten galten sie in der wilhelminischen Ära als Objekte nationalen Prestiges, dass es um jeden Preis zu verteidigen galt.
Die andere große außenpolitische Belastung für das Kaiserreich war Wilhelms Wunsch nach einer Hochseeflotte die massive Aufrüstung von Deutschlands Marine – hier der Schlachtkreuzer „Moltke“ im Jahr 1912 – war vor allem den Briten ein Dorn im Auge.
Zwar versuchten England und Deutschland noch bis kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs eine Einigung beim Thema Flottenrüstung zu finden, doch sämtliche Versuche schlugen fehl (Symbolbild).
Wilhelm II. war hinsichtlich seiner Außenpolitik sozusagen das genaue Gegenteil, jenes Mannes, den er selber 1890 entlassen hatte ...
... Reichskanzler Otto von Bismarck. Nach der Einigung des Deutschen Reichs versuchte er permanent, das fragile Gleichgewicht der Kräfte in Europa zu wahren.
Auch wenn die Beerdigung Edwards VII. Europas Monarchen in scheinbar trauter Eintracht zeigt – Wilhelm II. war nicht gerade ein zurückhaltender Diplomat (links: Wilhelm II neben George V und Duke of Connaught bei der Beerdigung).
Der Kaiser – hier mit den Generälen Hindenburg und Ludendorff – setzte meist eher auf „Kanonenbootdiplomatie“ als auf Verhandlungen.
Die Folgen sind bekannt: Erster Weltkrieg, Revolution – und das Ende der Monarchie in Deutschland. Das hatte sich Wilhelm II. vermutlich anders vorgestellt. Das Bild zeigt die Lesung des Briefes „An das Deutsche Volk“ von Wilhelm II. zu Beginn des 1. Weltkrieges.