Wer im Süden Deutschlands wohnt, kennt ihn: den warmen Wind, der an manchen Tagen übers Land weht und die Menschen verrückt werden lässt – so zumindest heißt es oft. Die Luft ist kristallklar und die Alpen, sonst in weiter Ferne, erscheinen zum Greifen nah. Selbst Friedrich Schiller schrieb schon über den Föhn. Was aber löst ihn aus?
Wie Wasser, das auf einen Stein stößt
In Europa herrscht zu keiner Zeit überall das gleiche Wetter. So verlässlich wie die Zahnräder eines Uhrwerks greifen Tief- und Hochdruckgebiete ineinander und führen, je nach Drehrichtung, entweder kalte oder warme Luftmassen heran. Dieser ständige Druckausgleich ist nicht nur der Motor für unser Wetter, sondern ruft auch einige lokal begrenzte Wetterphänomene hervor – wie den Föhn.
Nach dem heute gängigen Erklärmodell wird beim Föhn milde und feuchte Luft vom Mittelmeer, die aus einem aus West-Südwest heranziehenden Tief stammt, gegen die Alpen gedrückt. Sobald dieses Paket die ersten Hänge erreicht, stößt die Luft auf ein Hindernis – wie Wasser, das in einem Bachbett auf einen Stein stößt. Die unteren Luftschichten werden gestaut, sie sinken sogar ab, während die oberen Luftschichten die Alpengipfel überströmen.
Die starken Winde in der Höhe dagegen treiben die wärmere Luft zum Teil mit großer Geschwindigkeit über die Gipfel der Alpen. Klassische Föhntäler wie das Tiroler Wipptal wirken dabei durch ihre Nord-Süd-Ausrichtung wie Windkanäle. Auf der windabgewandten Nordseite der Alpen entstehen, wie im Flussbett, Wellen und Wirbel, die die Luft dann in die Tiefe reißen. Am Fuß der Alpen angekommen, verdrängen die neuen trockenen und warmen Luftmassen die bestehende kühlere Luft – die Temperatur steigt.
Macht uns der Föhn „verrückt“?
Dieses Erklärmodell, das das Verhalten von Luftmassen mit dem von Wasser vergleicht, ist relativ neu. Früher glaubte man, die feuchte Luft, die auf die Alpen trifft, bilde dort beim Aufstieg Regen und zöge, oben angekommen, als trockene Luft weiter. Dieses Modell wurde inzwischen weitgehend widerlegt.
Doch bis heute beschäftigt der Föhn die Meteorologie, und viele Details werfen noch Fragen auf. Klar ist aber: Der Föhn kündigt in den meisten Fällen einen Umschwung zu schlechterem Wetter an. Je stärker die Druckunterschiede auf dem Kontinent, desto höher ist die Windgeschwindigkeit. Wie stark sich der Föhn entwickelt, hängt außerdem von Form und Lage der Hindernisse ab. Und: der warme Wind tritt nicht nur an den Alpen auf.
Abhängig von der Wetterlage kann dieses Phänomen an jedem größeren oder kleineren Gebirge auftreten. Typisch für eine Föhnwetterlage in der Alpenregion ist aber eine markante Wolken- oder „Föhnmauer“ entlang des Gebirgshauptkamms, wo sich die Wolken an den Berghängen stauen.
Doch welche Auswirkungen hat der Föhn auf uns? Macht er uns tatsächlich „verrückt“? Forscher tappen noch im Dunkeln. Viele Menschen klagen bei Föhn über Kopfschmerzen und tatsächlich belegen Studien eine erhöhte Wetterfühligkeit, wenn der warme Wind aus den Alpentälern bläst.
Eine Untersuchung der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München ergab, dass die Zahl der Suizidversuche und Einweisungen in psychiatrische Kliniken im Gegensatz zu anderen Wetterlagen bei Föhn um zwanzig Prozent zunahm. Dafür sank die Zahl der Verkehrsunfälle. Rettungseinsätze aufgrund von Alkohol- oder Drogenkonsum gingen sogar um bis zu einem Drittel zurück. Welche konkreten Eigenschaften des Föhns diese Phänomene hervorrufen, ist allerdings auch den Wissenschaftlern noch ein Rätsel.