Christian spürt, wie sein Herz rast. Der 25-Jährige hat das perfekte Blatt und steht vor dem größten Erfolg seiner Online-Poker-Karriere. Die 35.000 Euro sind ihm nicht mehr zu nehmen. Da erscheint plötzlich eine Nachricht auf seinem Bildschirm: „Ihr Datenvolumen wurde überschritten. Bitte laden Sie Ihr Google-Konto neu auf.“ Im nächsten Moment schließt sich sein Browser, und der Gewinn von 35.000 Euro ist geplatzt. Noch ist der Fall von Christian nur ein Szenario.
Doch tatsächlich könnte schon in diesem Jahr die Bezahlschranke für das Internet fallen – und das Prinzip der Netzneutralität fallen. Am 27. Oktober 2015 hat das EU-Parlament die Netzneutralität zwar bestätigt – allerdings mit Schlupflöchern. Folge: Zwei Tage später kündigt die Telekom an, kostenpflichtige Überholspuren im Internet einzurichten.
Droht uns ein Zwei-Klassen-Netz?
„Das EU-Parlament hat den Weg in ein Zwei-Klassen-Netz geebnet“, sagt Alexander Sander, Geschäftsführer der Digitalen Gesellschaft. Die Geheimdienste dagegen loben die Auflösung der Netzneutralität. Grund: Um Daten bevorzugen zu können, muss der Provider genau wissen, von wem sie stammen. So verliert das Internet jegliche Anonymität.
In Zukunft würde man mit Klarnamen ein bestimmtes Internetpaket buchen. Und das wäre erst der Anfang: Internet-Unternehmen könnten ihr eigenes Netz anbieten. Google etwa arbeitet schon seit 2014 am Aufbau eines eigenen Internets. Das eine (freie) Internet gäbe es dann nicht mehr – in Zukunft muss man sich womöglich für eines von vielen Konzern-Netzen entscheiden.