Die AfD bekommt nicht nur Zulauf von allen anderen Parteien, sie schafft es auch als einzige Partei, die enttäuschten Nichtwähler für sich zu gewinnen.
Zehntausende Demonstranten sind an diesem Oktoberabend wieder auf der Straße. Sie schwenken Fahnen, skandieren Hassparolen und bejubeln einen Politiker, der in seiner Rede das tausendjährige Deutschland beschwört und sofortige Neuwahlen fordert. Ein Ablauf, den man nur zu gut aus Städten wie Dresden oder Erfurt kennt – so scheint es zumindest. Tatsächlich hat sich die hier beschriebene Szene bereits vor rund 85 Jahren zugetragen – beim Aufmarsch der SA in Braunschweig am 18. Oktober 1931.
Pegida als moderne Version der einstigen Kampforganisation der NSDAP? Tatsächlich sprechen viele Fakten dafür: Sprachanalysten haben in den Reden von AfD- und Pegida-Vertretern diverse Wörter gefunden („Lügenpresse“, „Überfremdung“, „Volksverräter“), die eins zu eins der Rassentheorie der Nationalsozialisten zuzuordnen sind und auch in zahlreichen Reden eines Joseph Goebbels auftauchen. Längst fordern daher auch Politiker anderer Parteien, Pegida durch den Verfassungsschutz überwachen oder gar verbieten zu lassen, bevor es zu spät ist – denn: Die Radikalisierung scheint weder der Pegida-Bewegung noch ihrem selbst ernannten Verbündeten, der AfD, zu schaden – im Gegenteil: Während alle anderen Parteien in den Umfragen verlieren, legt sie weiter zu und kommt aktuell bundesweit auf acht, in Ostdeutschland gar auf 16 Prozent.
Mobilisierung der Massen
Da 2016 gleich in fünf Bundesländern (Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern) Wahlen anstehen, könnte das Jahr zu einer wegweisenden Machtverschiebung in Deutschland führen. „Pegida rückt den Rassismus in die Mitte der Gesellschaft – das macht sie noch gefährlicher als die NPD“, warnt der Politikwissenschaftler Dierk Borstel. Der Rechtsextremismus-Forscher Hajo Funke sieht gar gefährliche Parallelen zum Aufstieg der NSDAP in den 30er-Jahren: „Wir kennen ähnliche Phänomene vom Ende der Weimarer Republik. Es sind Neonazis, die ihr Vorbild in der SA sehen, wie der Attentäter, der vor kurzem die Bürgermeisterkandidatin von Köln niedergestochen hat.“
Sollte die AfD in die Landesregierungen einziehen, müsste sie ihre wichtigsten Themen (Aussetzung des Asylrechts, Grenzschließung, Auflösung des Euro-Währungsgebietes) radikal vorantreiben, um ihre Wähler nicht zu verlieren. In der Opposition könnte sie sich hingegen entweder auf eine totale Blockadetaktik verlegen und jeden neuen Gesetzesentwurf torpedieren oder nach dem Vorbild der Dänischen Volkspartei eine Duldungspolitik betreiben, um die Regierung in ihrem Sinne zu steuern. Auf die Art dürfte es noch leichter sein, Tausende neue Anhänger zu mobilisieren, die Woche für Woche auf die Straße gehen. Egal, welches Szenario am Ende eintritt, das Jahr 2016 könnte die AfD ihrem großen Ziel näherbringen: dem Sturz der Republik – so wie vor 83 Jahren …