- Welt der Wunder Magazin
Leichter Nebel hängt über den Kuhweiden und Bauernhöfen. Das kleine Dorf Oberried liegt verschlafen im Morgenlicht. Nichts scheint die Ruhe zu stören – doch die Idylle ist trügerisch. Nur ein paar Meter den Hang hinauf befindet sich einer der am besten geschützten Orte Deutschlands.
Was kaum jemand weiß: Hier, mitten im Schwarzwald, wird in einem ehemaligen Silberbergwerk das kulturelle Gedächtnis unserer Nation aufbewahrt: eine gigantische Menge historischer Dokumente in Mikrofilmform, gelagert in Edelstahlfässern …
Deutsche Geschichte hinter einer Stahltür
Im Umkreis von zwei Kilometern sind militärische Aktivitäten untersagt, im Kriegsfall herrscht Flugverbot über dem Stollen. Der Grund für die strengen Sicherheitsmaßnahmen liegt in 400 Metern Tiefe hinter einer schweren Stahltür verborgen: ein schier endloser Korridor, gefüllt mit Tausenden Fässern, fein säuberlich in Regalen aufgereiht.
Kaltes Neonlicht erhellt den Gang, der mit Bewegungsmeldern und Kameras ausgestattet ist. Das Klima ist konstant kühl, zehn Grad Celsius und eine Luftfeuchtigkeit von 75 Prozent – perfekte Lagerbedingungen für die unter Schutzatmosphäre verschlossenen Mikrofilme. Ihr großer Vorteil: Die Dokumente bleiben mindestens 500 Jahre lang lesbar, während die Nutzungsdauer von CDs auf höchstens 50 Jahre geschätzt wird.
Die Sammlung umfasst Schätze wie die Baupläne des Kölner Doms oder die Ernennungsurkunde Adolf Hitlers zum deutschen Reichskanzler. Pro Jahr kommen bis zu 30 Millionen Aufnahmen hinzu, ab 2015 sollen auch die Seitenstollen genutzt werden.
Vergleichbar mit Höhlenmalerei
Das größte Langzeitarchiv Europas wird errichtet, weil man aus der Geschichte gelernt hat: 1954 unterzeichnet die deutsche Regierung die Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut – die Vernichtung unzähliger Bibliotheken und Kulturgüter im Zweiten Weltkrieg hat tiefe Narben geschlagen.
Die Politik beschließt daher, heimlich eine Art Sicherungskopie der deutschen Geschichte anzulegen, als Ort wird der Barbarastollen im Schwarzwald ausgewählt. Die Begründung: In dem Gebiet gibt es kaum potenzielle militärische Ziele, zudem gilt der Berg Schauinsland, in den die Mine geschlagen wurde, aufgrund seines harten Gesteins als erdbebensicher.
Ab 1972 wird der Stollen ausgebaut und atombombensicher gemacht, drei Jahre später werden die ersten Fässer eingelagert. Der 13-stellige Code, mit dem sich die Stahltür öffnen lässt, ist ein Staatsgeheimnis, lediglich zwei Männer des Sicherheitsdienstes kennen ihn. Wozu das Ganze?
„Eine berechtigte Frage“, gibt Lothar Porwich vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe zu und vergleicht die Dokumente mit uralten Höhlenmalereien. Seine Hoffnung: Sollten spätere Generationen die Fässer entdecken, können sie sich ein detailliertes Bild von der deutschen Geschichte machen …