Welt der Wunder

Nicht glauben, sondern wissen

Wer war Jack the Ripper?

Bis heute weiß niemand, wie er wirklich aussieht. Keiner kennt seinen wahren Namen. Und doch – oder vielleicht genau deswegen – ist das Phantom „Jack the Ripper“ ein Mythos geworden. Seit mehr als 100 Jahren werden die Taten des Londoner Serienkillers in Literatur, Film und Theater aufgegriffen, er fasziniert aber auch Historiker, Rechtsmediziner und Touristen. Doch wem hat er seinen Legenden-Status eigentlich zu verdanken?

Fakt ist: Im Jahr 1888 sorgt eine brutale Mordserie im Londoner Stadtteil Whitechapel für Angst und Schrecken. Die Opfer: fünf Prostituierte, ihre Körper grausam verstümmelt. Die Polizei schreibt die Morde einem einzelnen Täter zu – die Verdächtigen reichen von Schlachtern, Hebammen und Freimaurern bis zu Queen Victorias Enkelsohn Prinz Albert Victor. Doch was führt die Polizei zu ihrer Einzeltäter-Theorie? Tatsächlich stützt sich ihr Verdacht allein auf eine Reihe von Bekennerschreiben, die an die Presse und die Polizei gehen. 

Genau 209 Briefe liegen vor, deren Autoren sich als „Jack the Ripper“ ausgeben. Ob überhaupt einer davon vom Killer stammt, ist jedoch hoch umstritten. Umso überraschender ist es, dass bis heute nur ein paar Handschriftenvergleiche vorgenommen wurden, aber noch nie Wortwahl, Grammatik und Stil dieser Texte untersucht wurden. Der forensische Linguist Andrea Nini von der Universität Manchester hat genau das jetzt getan, in der Hoffnung, eine Art sprachlichen Fingerabdruck zu finden und so zu ermitteln, welche der Schreiben einen gemeinsamen Autor haben.

Briefe unter der Lupe

Besonders drei Schriftstücke erregten Ninis Aufmerksamkeit – darunter der Brief, der als Erster mit „Jack the Ripper“ unterschrieben war und so den Namen in die Welt setzte. Er ging vier Wochen nach dem ersten Mord bei der Londoner Central News Agency ein. Der Verfasser bekannte sich zu der Tat und kündigte an, der Polizei ein Ohr des nächsten Opfers zu schicken – und tatsächlich wies das nächste Mordopfer ein verstümmeltes Ohr auf. Auf einer mit „Saucy Jack“ unterzeichneten Karte, die bei derselben Agentur einging, beanspruchte der Autor einen Doppelmord für sich, während der Schreiber des dritten Briefs seine angeblichen Taten mit religiösen Motiven begründete. 

Das Seltsame: Der Empfänger Tom Bulling, bei ebenjener Central News Agency beschäftigt, leitete zwar den Umschlag an die Polizei weiter, den Brief selbst aber nur als Kopie. Sprachlich fällt zudem auf, dass die drei Schreiben einander extrem ähneln. Das wichtigste Indiz ist eine Formulierung des ersten Briefs: „Keep this letter back till I do a bit more work“ – ein Muster, das in ähnlicher Form auch in den beiden anderen Schreiben auftaucht, aber in keinem der übrigen Briefe. Nini vermutet daher, dass der Reporter Tom Bulling selbst alle drei Texte geschrieben hat, um Sensationen zu produzieren. Er wäre so nicht nur der wahre Urheber der Figur und ihres Mythos, sondern könnte auch zahlreiche Trittbrettfahrer inspiriert und ermutigt haben, unter dem Namen „Jack the Ripper“ zu morden und sich dahinter zu verstecken. Tatsächlich gehen Experten neben den offiziellen Morden von mindestens sechs weiteren Bluttaten aus. Die Frage lautet also womöglich gar nicht: Wer war Jack the Ripper? Sondern: Wie viele? 
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