Warum das Metaverse ein bisschen wie der Mond ist
„Wie viel Uhr ist es eigentlich auf dem Mond?“ Diese Frage stellt die multidisziplinäre wissenschaftliche Zeitschrift „Nature“ in einem viel diskutierten Artikel. Der Autor schlägt vor, eine einheitliche Zeitzone für den Mond zu etablieren.
Der Grund: In den kommenden Jahren sind zahlreiche größere Mondmissionen geplant. Eine einheitliche Zeitzone auf dem Mond würde den Astronauten die Zusammenarbeit erheblich erleichtern. Bisher hatte jede Mond-Mission ihre eigene Zeitzone.
Doch der Mond ist nicht der einzige Ort, an dem eine eigene Uhrzeit die Kooperation leichter machen würde. Das Aufeinandertreffen von Teilnehmenden aus verschiedenen Zeitzonen im Metaverse könnte zu komplexen Problemen führen. Dabei wären mindestens vier Methoden denkbar, wie Zeitzonen und Tageszeiten im Metaverse funktionieren könnten:
Zeitmodell 1: Uhrzeit und Tageszeit im Metaverse synchronisieren sich mit der Uhrzeit und Tageszeit des Spielers
Einerseits ist es ein schönes Gefühl, wenn sich die digitale Welt der eigenen Welt anpasst. Wer sich abends ins Metaverse einloggt, könnte der digitalen Sonne beim Untergehen zuschauen. Frühaufsteher könnten beobachten, wie das virtuelle Sternenmeer langsam am Himmel verschwindet.
Doch was ist mit Metaverse-Nutzern in anderen Zeitzonen? Es würde das Nutzererlebnis durchaus schmälern, wenn sich jeder von ihnen in seiner eigenen Zeitblase bewegen würde. Manche Aktivitäten machen zu bestimmten Tageszeiten einfach mehr Spaß – auch in einer virtuellen Umgebung. Zum Beispiel ein Filmabend vor einer Kulisse aus bunten Stadtlichtern unter einem hellen Vollmond. Oder ein Spaziergang bei Sonnenaufgang mit Morgentau und leichtem Nebel über den Feldern.
„Sag mal, ist es für dich Morgen, Mittag, Abend oder Nacht?“
Hätte jeder Teilnehmer seine eigene Zeitzone, wäre es schwierig, die eigene Metaverse-Erfahrung mit anderen Nutzern zu teilen. Zwei Teilnehmer aus verschiedenen Kontinenten könnten sich im selben Gebiet befinden, aber aufgrund ihrer unterschiedlichen Zeitzonen die Umgebung unterschiedlich wahrnehmen.
Da jedem Nutzer bewusst wäre, dass es keine einheitliche Wahrnehmung des Metaverse gibt, würde sich kein echtes Gemeinschaftsgefühl einstellen. Zeitgebundene Veranstaltungen und Kooperationen zwischen Nutzern aus unterschiedlichen Zeitzonen würden zusätzlich erschwert. Diese müssten theoretisch für jede mögliche Zeitzone separat stattfinden, was praktisch nicht durchführbar ist.
Zeitmodell 2: eine feste 24-Stunden-Zeitzone für das Metaverse
Eine eigene Zeitzone für das Metaverse wäre die theoretisch simpelste Methode. Dabei könnten Uhrzeit und Tageszeit im Metaverse fest auf eine einzige Zeitzone – wie z. B. die koordinierte Weltzeit (Coordinated Universal Time, CET) – ausgerichtet werden.
Die Planung von Veranstaltungen und Events wäre mit diesem Zeitmodell am einfachsten zu realisieren. Das Problem: Wer sich geografisch in einer weit entfernten Zeitzone befindet, ist immer gefühlt zu früh oder zu spät eingeloggt.
So würde die koordinierte Weltzeit (CET) im Metaverse funktionieren
Wenn die koordinierte Weltzeit 12 Uhr mittags anzeigt, ist es in Deutschland 13 Uhr – in Los Angeles aber erst 4 Uhr morgens und in Tokio bereits 9 Uhr abends. Wer also nicht in Europa lebt, wird das Metaverse meist nur in der Dämmerung oder Dunkelheit erleben.
Die „Metaverse Cyber Time“
Einen Vorschlag für eine spezielle Zeitzone für das Metaverse hat es im Februar 2022 bereits gegeben. Die „Metaverse Cyber Time (MCT)“. Gemessen wird sie konsequent im 24-Stunden-Format von 00:00 bis 23:59 Uhr. Das umständliche 12-Stunden-System kombiniert mit „AM“ (vormittags) und „PM“ (nachmittags), das unter anderem in englischsprachigen Ländern, Mexiko, Ägypten und Indien gebräuchlich ist, wird somit wegfallen.
Die „Metaverse Cyber Time“ ist des von Mitgliedern des Community-Projekts „Metaverse Radio“. Sie basiert auf der CET-Zeitzone und zieht sechs Stunden ab. Wenn es in Deutschland 9 Uhr morgens ist, wäre es laut „Metaverse Cyber Time“ somit 2 Uhr nachts.
Zeitmodell 3: Auf 24 Stunden kommen 48 Metaverse-Stunden oder mehr
Wäre ein Tag im Metaverse kürzer als im wirklichen Leben, ist es wahrscheinlicher, dass jeder Nutzer den Morgen, den Mittag und den Abend im Metaverse erleben kann.
Dies wäre ein idealer Kompromiss für Nutzer, die nicht viel Zeit haben, online zu sein – oder sich in Zeitzonen aufhalten, die weit von der Metaverse-Zeit entfernt sind. Einige Online-Rollenspiele wie der Klassiker „World of Warcraft“ nutzen diese Methode, um den Spielern eine abwechslungsreiche und atmosphärisch dichte Umgebung zu bieten.
Der Nachtteil: Die Tatsache, dass die Tageszeit nun asynchron zur realen Zeit ist, könnte bei einigen Nutzern zu einem Jetlag-ähnlichen Gefühl führen. Dies könnte durch die Einführung eines separaten Metaverse-Zeitsystems ausgeglichen werden:
- Ein Tag im Metaverse könnte exakt halb so lang sein wie im wirklichen Leben.
- Der Einfachheit halber könnte er jedoch weiterhin in einem 24-Stunden-System gemessen werden.
- Stunden im Metaverse wären demzufolge im echten Leben 30 Minuten lang.
- Nach einem Tag im realen Leben wären im Metaverse zwei Tage vergangen.
Zeitmodell 4: Das Metaverse besteht aus Zonen mit festen, von der Uhrzeit unabhängigen Tageszeiten
Ein denkbarer Kompromiss wäre auch, die Tageszeit im Metaverse völlig unabhängig von der Uhrzeit zu machen. Über der Großstadt, in der sich der Großteil des Lebens im Metaverse abspielt, könnte der Himmel immer strahlend blau sein. Dies könnte mit speziellen Tageszeiten-Zonen für bestimmte Aktivitäten kombiniert werden.
Wer eine Filmpremiere erleben möchte, kann sich in einen speziellen Bereich mit nächtlicher Las-Vegas-Atmosphäre teleportieren lassen. Wer Entschleunigung braucht, kann sich in einen lauschigen Park begeben, in dem immer eine Abendstimmung mit einem leuchtend roten Sonnenuntergang herrscht.
Der Nachteil: Statische Tageszeiten-Zonen könnten das Metaverse auf lange Sicht an Dynamik vermissen lassen. Dies könnte durch bestimmte Gebiete mit zyklisch wechselnden Tageszeiten ausgeglichen werden.
Welches Metaverse-Zeitmodell ist ideal?
Je mehr wir uns mit den Vorteilen der verschiedenen Zeitmodelle beschäftigen, desto deutlicher werden auch die Nachteile. Eine mit dem Nutzer synchronisierte Tageszeit im Metaverse reduziert das Gemeinschaftsgefühl. Eine einzige, feste Zeitzone im Metaverse hingegen schließt Nutzer in weit entfernten Zeitzonen aus.
Ein kürzerer Tag-Nacht-Zyklus wird von einigen Nutzern als unnatürlich empfunden werden und spezielle Zonen mit festen Tageszeiten lassen das Metaverse statisch erscheinen. Auch eine Unterteilung des Metaverse in zeitzonen-spezifische Gebiete wäre denkbar, würde die Metaverse-Welt jedoch stark fragmentieren. Aktuell scheint am wahrscheinlichsten, dass sich eine Mischung aus allen beschriebenen Modellen durchsetzen wird – oder eventuell auch ein völlig neues.