Wie Wein zum Begleiter des Menschen wurde
Dionysos und Bacchus, das Blut Christi und Trank der Auserwählten im Islam – Wein prägt Mythen und Religionen. Seit Jahrtausenden berauschen sich Menschen am Rebensaft. Seine eigentümliche, bakterienbedingte Essignote versüßten sowohl die Griechen als auch die Römer mit bisweilen tödlichen Gewürzen. Dabei wirkt sich reiner Rotwein bewiesenermaßen positiv auf den Cholesterinspiegel und die Blutbahnen aus. Und schmeckt: nach Holunderrinde, Kakao, weißem Pfeffer oder Marzipan. Bis zum Schwenken, Schnüffeln, Spucken braucht es jedoch unzählige mühsame Arbeitsstunden im Weingut und jahrelanges Reifen im Winzerkeller.
Wie der Geist in die Flasche kommt
Weiße Pfirsiche, Chili oder Heu – Wein kann nach allem Möglichen schmecken. Kork sollte nicht unter den erschnüffelten Noten sein, ebenso wenig abgestandener Muff. Den verursachen kranke, faule oder unreife Beeren. Auf klassischen Weingütern wie dem Pfälzer „Reichsrat von Buhl“ ernten die Arbeiter deshalb per Hand – sie lesen, wie es im Winzerjargon heißt. Trauben sind empfindlich: Sie können sogar Sonnenbrand bekommen. Deshalb transportieren die Mitarbeiter das Lesegut mehrmals am Tag zurück in die schattigen Räume des Weingutes.
Empfindliches Erntegut
Dort selektieren sie ein weiteres Mal von Hand. So kommen nur die besten Trauben per Laufband in die Presse zum Keltern. Moderne Keltern zerquetschen nur die Beeren, die bitteren Kerne bleiben verschont – und schonen so den Traubensaft. Anders zu Zeiten von Karl dem Großen. Damals wurden die Kerne mitverarbeitet. Ergebnis: eine trübe Farbe und störende Bitterstoffe. Der wichtigste Schritt in der Weinherstellung ist die Gärung. Sie verwandelt ordinären Traubensaft in alkoholhaltigen Wein. Dabei kommt Hefe zum Einsatz, die auf den Beerenschalen sitzt. Meist geben die Winzer aber noch künstliche Hefe dazu. Ihre Mikroorganismen spalten den Fruchtzucker der Trauben in Alkohol und Kohlensäure auf.
Weingeist im Stahltank
Doch Vorsicht: Verläuft die Gärung zu stürmisch, gehen mit der entweichenden Kohlensäure auch Aroma- und Geschmacksstoffe verloren. Eine Kühlung der Gär-Tanks soll das vermeiden – weshalb die meisten Weingüter von romantischen Holzfässern auf moderne Stahltanks umgerüstet haben. Der Kellermeister kontrolliert den Fortschritt der Gärung: Mit der Mostspindel misst er täglich den verbleibenden Fruchtzucker. Dieser muss zu hundert Prozent in Alkohol umgewandelt - vergoren - sein. Bei Weißweinmost dauert das zwischen zehn und zwanzig Tagen. Dann pumpen ihn die Winzer ab und filtern die Trübstoffe heraus. Würde der Most im Fass verbleiben, bekäme er einen strengen Hefegeschmack. Deshalb trennen ihn die Winzer von der Gärhefe: der so genannte Abstich. Die Hefe dient den Weinbergen als Dünger.
Warten lohnt sich
Die Winzer können den Wein nun in Flaschen abfüllen. Dort kann er nachreifen. Erst nach zwei Monaten Lagerung entfaltet der Weißwein sein volles Aroma. Die inhaltsreicheren Rotweine brauchen noch länger. Und Spitzenweine, ob rot oder weiß, reifen mitunter Jahrzehnte bis zur geschmacklichen Vollendung.
Das Geheimnis eines guten Jahrgangs
Im Wein liegt Wahrheit – und zwar vor allem die über seine Herkunft: den Weinberg. Er formt die originären Aromen der Traube und damit den Charakter des späteren Rebensaftes. Viele Faktoren spielen hier mit: vom geologischen Gestein in den Tiefen der Erdkruste über Struktur der Bodenoberfläche bis hin zu Wasser- und Nährstoffversorgung der Rebenwurzeln. Aber auch Hangwinkel und Sonnenstunden wirken sich auf die Trauben und deren Bouquet aus.
Geologische Genussfaktoren
Doch beste Böden produzieren nicht immer die besten Weine. Der Grund: Es sind Maschinen, die den Großteil aller weltweit angebauten Trauben ernten. Diese sogenannten Vollernter umfassen die Rebzeilen mit ihren Schlagwerkzeugen. Sie schütteln die Reben, bis die Trauben in Auffangbehälter fallen. Vorteil: Die Winzer können schnell große Mengen ernten. Nachteil: Faulige Trauben, Äste und Blätter gelangen ebenfalls in den Wein – und entstellen den Geschmack.
Menschliche Sorgfalt gegen maschinelle Massenerträge
Traditionsunternehmen bestehen deshalb auf die sanfte Lese per Hand. Die ist zwar arbeitsaufwändiger, dafür kommen hier nur die besten Trauben in die Flasche. Bei korrekter Lagerung kann dann ein echter Jahrhundertjahrgang heranreifen – und bei Auktionen Jahrzehnte später Jahrhundertpreise von mehreren Zehntausend Euro pro Flasche erzielen.
Länger leben mit rotem Rebensaft
25 Liter jährlich trinkt jeder Deutsche vom gesunden Rebensaft – im Vergleich zu 130 Litern Bier ist das nicht viel. Dabei bietet vor allem Rotwein mehr als Genuss: Er enthält sogenannte Saponine. Die chemischen Verbindungen wirken Wunder gegen zu viel Cholesterin im Blut und damit auch gegen Herzinfarkte.
Infarkten vorbeugen mit Rotwein
Bei herzinfarktgefährdeten Menschen entzünden sich die Gefäßwände: Abgestorbene Zellen und Cholesterinkristalle bilden Ablagerungen und können aufreißen. Die Folge: Blutplättchen bleiben kleben, Blutgerinnsel entstehen, Schlagadern verstopfen – bis zum Infarkt. Nach neuen Erkenntnissen binden die Saponine im Rotwein das Cholesterin und verhindern so eine Entzündung der Gefäße. Die Helferchen entstammen vermutlich der wachsartigen Traubenhaut und lösen sich während der Gärung im Wein – wobei Rotwein einen drei- bis zehnmal höheren Saponingehalt aufweist als sein weißer Verwandter. Auch in Olivenöl und Sojabohnen hat man den Cholesterinbinder schon gefunden.
Berauschendes Allheilmittel
Doch auch hier kommt es auf die Dosierung an: Ärzte empfehlen höchstens ein bis zwei Gläser Rotwein pro Tag. Wein galt übrigens schon lange vor der Entdeckung des Cholesterins als Heilmittel. Im Mittelalter und in der Renaissance kam er in Krankenhäusern zu üppigem Einsatz: In einem fränkischen Spital erhielten die Kranken sogar mehr als einen Liter täglich!
Bleibouquet im alten Rom
Seit Jahrtausenden berauschen sich Menschen am Rebensaft: Etwa 7.000 Jahre zählt der älteste, aus iranischem Boden gegrabene Weinkrug. Von Persien aus gelangte der Wein in den Mittelmeerraum – wobei das Bouquet von damals mit unseren heutigen Vorstellungen nur wenig gemein hat. Bakterien – die im modernen Gärungsprozess unterbunden werden – verliehen ihm eine essigsaure Note. Wohl auch deshalb verfeinerten ihn die alten Griechen und Römer mit Anis, Koriander oder Honig. Manche Historiker machen den Gewürzwein sogar für den Untergang des Römischen Reiches verantwortlich: Seine Bewohner reicherten ihn gern mit süßlichem, aber auch hochgiftigem Bleiazetat an.
Vergeistigte Gottesdiener
Von Rom fand der Wein seinen Weg in die Kolonien und damit auch nach Deutschland. Doch erst die Mönche des Mittelalters sorgten für die großräumige Verbreitung der Reben. Für ihre Gottesdienste benötigten sie Unmengen an Messwein – und kultivierten deshalb den Weinanbau, wo immer sie sich niederließen.
Schläge für Panscher
Schon Karl der Große erließ im 9. Jahrhundert eine Reinheitsbestimmung. Die Weinkeller sollten sauber gehalten und die Weintrauben nicht mit bloßen Füßen zerquetscht werden. Auch Weinpanscher waren zu dieser Zeit schon aktiv. Mit Quecksilber, Blei oder Kalk veredelten sie den Geschmack des oft minderwertigen Weins. Waren ihre Machenschaften durchschaut, schlug man zur Strafe den Fassboden aus, damit der Wein ausfloss – daher stammt unser Sprichwort: „Das schlägt dem Fass den Boden aus.