Sie sind die Zwerge unter den Vögeln: Gerade einmal zwei Gramm bringen Kolibris auf die Waage. Doch: Ihre Fertigkeiten in der Luft übertreffen die von Trapezkünstlern und Düsenjets zusammen.
Rückwärts, kopfüber, freier Fall: Kolibris sind Meister im Fliegen. Ihre Flügel schlagen bis zu achtzig Mal pro Sekunde, beim Balzflug sogar zweihundert Mal. Um ein Weibchen zu beeindrucken, schießen Männchen zehn bis zwanzig Meter senkrecht in die Luft, um dann im Sturzflug zu Boden zu rasen und sich erst im letzten Sekundenbruchteil vor dem Aufschlag wieder aufzufangen. Sogar tänzerische Luft-Pirouetten gehören zum Repertoire.
Kleine Kraftwerke
Doch die sportlichen Höchstleistungen kosten Kolibris viel Energie. Ihr Herz, das im Verhältnis zum Körper sehr groß ist, schlägt bis zu 400 bis 500 Mal pro Minute. Im Sturzflug werden Kolibris knapp hundert Stundenkilometer schnell, und beim Rückwärtsflug schlagen sie sogar noch öfter mit den Flügeln als sonst. Kolibris führen ein Leben im permanenten Turbo-Modus.
Hinzu kommt, dass Kolibris eine hohe Stoffwechselquote haben. Deshalb brauchen sie Unmengen an energiereicher Nahrung. Ihre Hauptspeise, Nektar, besteht größtenteils aus Frucht- und Traubenzucker. Doch selbst von diesem kalorienreichen Stoff benötigen sie eine unvorstellbare Menge: Ein- bis zweitausend Blüten leert ein Kolibri jeden Tag – so lange, bis er mehr als die Hälfte seines Körpergewichts zu sich genommen hat. Um dieselbe Leistung zu erbringen, müsste ein erwachsener Mann 140 Kilo Wiener Schnitzel verputzen.
Nicht immer jedoch läuft der Energiehaushalt des Kolibris auf Hochtouren. Für Zeiten, in denen er nicht auf Nahrungssuche umherschwirrt, zum Beispiel nachts, hat der Winzling eine wirksame Energiesparstrategie entwickelt: den Torpor. Das ist eine Art Kältestarre, die durch eine aktive Absenkung der Körpertemperatur erreicht wird. Dabei setzt sogar die Atmung für längere Perioden aus. Durch den Torpor kann der Kolibri seinen Energiestoffwechsel bis auf ein Fünfzigstel der Normalrate herabsetzen.
Summende Luftakrobaten
Rund 330 Kolibriarten sind derzeit bekannt, die ausschließlich den amerikanischen Doppelkontinent von Alaska bis Feuerland besiedeln. Der Kleinste von ihnen, die Bienenelfe, wird kaum größer als ein Insekt. Kolibris können – wie Hubschrauber – in der Luft stehen bleiben. Um das zu erreichen, schlagen sie mit seinen Flügeln nicht auf und ab, sondern bewegen sie in Form einer liegenden Acht.
Dabei bleiben die Flügel steif, der Vogel bewegt sie aus der Schulter über ein Kugelgelenk – und das so schnell, dass ein summendes Fluggeräusch entsteht. Im Englischen heißt der Kolibri deshalb „hummingbird“, zu Deutsch: „Summvogel“.