3-Meter-Wümer, zur Hälfte aus Bakterien
Als Meeresbiologen im Jahr 1977 mit dem Tiefseetauchboot „Alvin“ auf den Meeresboden zusteuerten, rund 2400 Meter unter der Meeresoberfläche, eröffnete sich ihnen eine fremdartige, bizarre Welt – wie aus einem Science-Fiction-Film. In vollkommener Dunkelheit, nur flüchtig beleuchtet von den Scheinwerfern des U-Bootes, standen riesige, bis zu drei Meter lange Röhrenwürmer dicht an dicht um unterseeische Vulkanschlote. Aus diesen so genannten Schwarzen Rauchern schießt ununterbrochen eine siedend heiße, giftige Mineralienbrühe heraus. Ausgerechnet dieser pechschwarze Cocktail aus gelösten Metallen und Schwefelverbindungen bildet die Lebensgrundlage dieser außerirdisch anmutenden Kreaturen. Erstaunlicherweise verfügen sie über keinerlei Verdauungsorgane: Fast die Hälfte ihrer Körpermasse besteht aus Bakterien, die den Würmern lebensnotwendige Nährstoffe und Energie liefern.
Ballett der Federtänzer: Federwürmer
Federwürmer sind ausschließlich im Meer zu finden. Im Gegensatz zu den Kalkröhrenwürmern leben sie in Röhren aus biegsamem, organischem Material und können ihre Wohnröhren nicht verschließen. Die Tiere leben von winzigen organischen Partikeln und Einzellern, die sie mit ihren oft bunt gefärbten Fangarmen aus dem Wasser filtern. Die filigranen Tentakel wiegen in der Brandung hin und her und wirken mit ihren fließenden Bewegungen wie Balletttänzerinnen in Tüllröcken.
Bäumchen aus Sand: Lanice conchilega
Der Bäumchenröhrenwurm ist ebenfalls ein Bewohner des Wattenmeeres. Er lebt in einer festen, bis 25 Zentimeter langen Wohnröhre, die er aus Sandkörnern und Muschelstückchen baut. Selbst für seine Fangarme hat der Wurm schützende Röhren, die sich am oberen Ende der eigentlichen Wohnröhre wie Äste eines Baumes verzweigen. Das Tier ernährt sich von Planktonorganismen und organischen Partikeln, die es aus dem vorbeiströmenden Wasser herausfiltert.
Der Wattwurm
Ein einzelner Wattwurm frisst rund 25 Kilogramm Sand jährlich. Bei einer Dichte von durchschnittlich vierzig Tieren pro Quadratmeter Wattfläche wandert der gesamte Sand oberhalb von zwanzig Zentimetern Tiefe durch das Verdauungssystem der Würmer. Für das gesamte Ökosystem sind sie deshalb extrem wichtig, denn sie sorgen für eine ständige Umwälzung und Belüftung des Meeresbodens. Dadurch weist der eine ähnliche Biomasse-Produktion auf wie tropische Regenwälder: Zwanzig Tonnen pro Hektar, vor allem Mikroben und winzige Tiere, finden zwischen den Sandkörnern Platz. Zum anderen sind Wattwürmer eine wichtige Nahrungsquelle für unzählige Vogelarten.
Der Wattwurm: Unermüdliches Umpflügen des Wattenmeeres
Meist sieht man nur die Ausscheidungen des Wattwurms, der an den Küsten der Nordsee im Verborgenen lebt: In seiner zwanzig bis dreißig Zentimeter tiefen, u-förmigen Wohnröhre macht er kaum etwas anderes als unaufhörlich zu fressen. Ähnlich wie Regenwürmer ernährt er sich von den Mikroorganismen und organischen Stoffen, die im sandigen Boden des Wattenmeeres enthalten sind. Der nicht verwertbare Sand wird etwa alle dreißig Minuten an der Oberfläche ausgestoßen, wodurch die typischen Wurmhaufen entstehen.
Der Weihnachtsbaumwurm Spirobranchus giganteus
Was wie Gewächse aus einem Fantasieland aussieht, sind die spiralförmig gewundenen Fangarme eines Kalkröhrenwurms. Die Tiere, die meist Korallenstöcke bewohnen, haben hochempfindliche Sinnesorgane. Jeder der bis zu zehn Zentimeter langen Würmer hat zwei Tentakelkronen, die sowohl der Ernährung als auch der Atmung dienen. Sie können bei Gefahr blitzartig in die Wohnröhre des Wurms gezogen werden. Anschließend wird der Röhreneingang von einem Kalkdeckel fest verschlossen.
Die Meeres-Monster mit dem Killer-Biss
Es gibt ihn wirklich, den Sandwurm des Planeten Dune: Der Bobbit-Wurm diente eindeutig als Vorlage für die grauenhafte Science-Fiction-Kreatur. Im lockeren Sand versteckt lauern die über einen Meter langen Würmer ihrer ahnungslosen Beute auf, die nicht selten größer ist als sie selbst. Blitzschnell schlagen sie mit messerscharfen Kiefern zu, packen das Opfer und reißen es mit sich in die Tiefe. Auch untereinander sind Bobbit-Würmer nicht zimperlich: Nach dem Geschlechtsakt beißt das Weibchen den Penis des Männchens ab und verspeist ihn, damit sich der Partner nicht mit Rivalinnen paaren kann. Die gute Nachricht: Die gefräßigen Meeresmonster leben ausschließlich in Südostasien und sind nachtaktiv.
Flach und bunt: Strudelwürmer
Strudelwürmer (Turbellarien) erinnern durch ihren sehr flachen, abgeplatteten Körperbau ein wenig an Nacktschnecken. Jedes Tier ist ein Zwitter. Sie unterscheiden sich von den Weichtieren durch zahlreiche Eigentümlichkeiten: Sie haben etwa ein sehr einfach gebautes doppeltes Gehirn und eine Mundöffnung, die genau in ihrer Körpermitte liegt. Während im Süßwasser lebende Strudelwürmer oft unscheinbar gefärbt sind, finden sich im Meer viele leuchtend bunt gefärbte Arten.
Gespenstisches Leuchten: Borstenwürmer Tomopteris
Geisterhaft schwimmt diese Kreatur mit Hilfe abgespreizter Borsten in den düsteren Tiefen des Ozeans, hellblaues Licht verströmend wie eine Leuchtreklame. Wie viele Tiefseebewohner beherrschen die transparenten Borstenwürmer Biolumineszenz, das Leuchten aus dem Köperinnern. Ähnlich den Tintenfischen können sie ein fluoreszierendes Sekret ausstoßen, das mögliche Angreifer ablenkt, und unbeschadet entkommen.
Riesige Mengen: Fadenwürmer
Fadenwürmer oder Nematoden sind eine ähnlich erfolgreiche Tierklasse wie Insekten. Sie sind zwar winzig klein, aber die am häufigsten vorkommenden Tiere der Welt: Etwa achtzig Prozent aller Tiere auf der Erde sind Fadenwürmer. Während die überwiegende Anzahl der Arten harmlose Bodenbewohner sind, gibt es einige Arten, die als Parasiten von Pflanzen, Tieren und Menschen bekannt sind. Es gibt sie überall: von der Tiefsee bis ins Hochgebirge, in Böden und Gewässern, innerhalb und außerhalb anderer Lebewesen.
Röhrenwürmer am Riff
Röhrenwürmer gibt es schon seit rund 200 Millionen Jahren. Viele Arten leben in Kolonien: Ihre dicht beieinander stehenden Wohnröhren bilden Riffe, ähnlich wie bei Korallen. An der Ostküste Floridas leben Röhrenwürmer in so gewaltigen Massen, dass ein 320 km langes, aber nur einen Meter hohes Wurm-Riff entstanden ist.
Widerborstig: Der Feuerborstenwurm Hermodice carunculata
Wer es wagt, diesen Wurm anzufassen, hat wochenlang etwas davon: Die harten Borsten des Feuerborstenwurms dringen leicht in die Haut ein und sondern ein Gift ab, das starke Schmerzen verursacht. Aus diesem Grund haben diese widerborstigen Tiere auch kaum Fressfeinde. Der bis zu dreißig Zentimeter lange Feuerborstenwurm ist vor allem in den Tropen und Subtropen beheimatet, unter anderem auch im Mittelmeer.